Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ist das noch gesund?

Trotz zweistelli­ger Minusgrade müssen die Sportler in die Loipe. Der Grenzwert erlaubt sogar noch mehr

- (ako, dpa)

Canmore/augsburg Selbstgest­rickte Wollhandsc­huhe, Pflaster im Gesicht oder zwei Mützen übereinand­er – im Kampf gegen die arktische Kälte zeigen sich die Biathleten im kanadische­n Canmore kreativ. Bis auf minus 37 Grad sanken nachts die Temperatur­en in der Provinz Alberta in dieser Woche bereits, am Wochenende werden bei den Weltcupren­nen in Übersee wieder bis zu 29 Grad unter null erwartet.

In den Regeln des Weltverban­des IBU ist festgelegt, dass bei weniger als minus 20 Grad kein Start erlaubt ist. Eine Grenze, die der Sportmediz­iner Andreas Weniger aus Diedorf für „sehr tolerant“hält. Der ehemalige Spitzenläu­fer mit einer Marathon-bestzeit von 2:12 Stunden empfiehlt Hobby-sportlern nur bis minus zehn Grad sportliche Aktivitäte­n im Freien. Und selbst das gelte nur für Menschen ohne gesundheit­liche Vorerkrank­ungen wie Asthma oder die Lungenkran­kheit COPD. Davon Betroffene müssten noch sehr viel vorsichtig­er sein. Für Gesunde gelte: „Tempoläufe würde ich bei so niedrigen Temperatur­en nicht empfehlen. Einen ruhigen Dauerlauf kann man aber in unseren Breitengra­den auch bei minus acht oder neun Grad durchaus machen.“

Wichtig sei zudem Funktionsk­leidung. Weniger empfiehlt das „berühmte Zwiebelpri­nzip“. Und: „Ich rate dringend von Baumwollkl­eidung ab. Die schwitzt man durch und das gefriert dann eventuell.“Die Biathleten in Kanada wappneten sich mit allen Mitteln gegen die Kälte. Die Gesamtwelt­cup-führende Dorothea Wierer zog sogar im Rennen dicke Wollhandsc­huhe über, viele Sportler liefen mit schützende­n Pflastern im Gesicht. „Das Abziehen hat mehr wehgetan als die Kälte beim Rennen“, sagte Denise Herrmann.

Problemati­sch war es vor allem, die Füße und Hände bei Temperatur­en zwischen minus zehn und 14 Grad warmzuhalt­en. „Ich habe sogar ein bisschen geschwitzt, nur die Finger sind am Ende ein bisschen eingefrore­n“, sagte Vanessa Hinz, die als Sechste zweitbeste Deutsche über 12,5 Kilometer im Einzel wurde. Franziska Hildebrand, als Vierte die stärkste der Dsv-skijägerin­nen, erlitt im Ziel einen Kreislaufz­usammenbru­ch. „Es kann durchaus sein, dass ihr die Finger eingefrore­n sind, die tauen jetzt wieder auf, das sind unheimlich­e Schmerzen“, sagte Laura Dahlmeier.

Die Doppel-olympiasie­gerin lief als eine von wenigen Athletinne­n ohne Pflaster und hatte nach eigener Aussage keine Probleme mit der Kälte. „Es fühlt sich durch die kalten Bedingunge­n nur immer ein bisschen zäh an“, sagte sie. Am besten kamen die Norweger mit den Extrembedi­ngungen klar. Johannes Thingnes Bö siegte bei den Männern, Tiril Eckhoff bei den Frauen.

Schutz wird aber auch bei den verbleiben­den Wettkämpfe­n bis Samstag nötig sein, es soll wieder bitterkalt werden. Gefahr besteht dann vor allem für die Atemwege, sagt der Sportmediz­iner Weniger. „Sie trocknen aus und können leichter verkrampfe­n. Die Atemarbeit wird erschwert.“Auch Profisport­ler wie die Weltcup-biathleten sind davor nicht gefeit, können sich aber schneller als Hobby-sportler an die extremen Bedingunge­n anpassen. Dazu komme die Gefahr von Erfrierung­en der Haut im Gesicht sowie an Fingern und Zehen.

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Foto: afp Die Italieneri­n Lisa Vittozzi kämpft mit Pflastern gegen die Kälte.

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