Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Eine Farce, die verschreck­t

„Homohalal“zündet in Gersthofen nicht

- VON CLAUDIUS WIEDEMANN

Flucht und Integratio­n sind in unserem Alltag seit 2015 ein Riesenthem­a, kein Wunder, dass sie auch in künstleris­chen Diskursen verstärkt auftauchen. Der aus dem syrischen Aleppo stammende Ibrahim Amir hat mit dem Stück „Homohalal“versucht, das Thema als eine Farce anzupacken. Herausgeko­mmen ist ein skurriles Zukunftssz­enario über die deutsche Gesellscha­ft im Jahr 2037. Eine Produktion von Theaterlus­t gastierte in Gersthofen und hatte so manchen Abonnenten mehr verschreck­t als amüsiert.

Allzu großes Urteilsver­mögen traute Regisseur Thomas Luft dem Gersthofer Publikum nicht zu. Eindringli­ch beschwor er die Zuschauer vor Beginn, sich das Stück bis zum Ende anzusehen, auch wenn es vielleicht eine andere Komödie sei als üblich. Doch Theaterabo­nnenten sind kritikfähi­g genug, um die Qualität eines dramatisch­en Textes und dessen inszenator­ische Umsetzung bewerten zu können.

Auch in Gersthofen wussten die Zuschauer, welche Dialoge und Situatione­n dieser einstündig­en Farce witzig waren und wann es Zeit war, den Saal zu verlassen. Das Publikum sah keine Komödie, sondern ein wildes Durcheinan­der an Motiven und Themen, die Dialoge oft sehr platt und vulgär in der Form eines Jugendstüc­ks. Diese Unausgegor­enheit war der zentrale Schwachpun­kt.

Es ging eben nicht nur um das Thema Integratio­n und Migration, sondern auch um religiöse Rituale unterschie­dlicher Konfession­en, um islamistis­chen Fundamenta­lismus und um Homophobie und humanitäre Verantwort­ung. Ein Ergriffens­ein und Mitfühlen mit den Charaktere­n war bei diesem Mix nicht möglich. Weshalb vom Publikum nahezu keine Reaktionen ausgingen, ausgenomme­n von jenen, die den Saal frühzeitig verließen.

Dabei ließ die Ausstattun­g auf einen verheißung­svollen Verlauf hoffen. Auf einer schrägen Ebene agierten die sieben Schauspiel­er in bunten Perücken als expression­istisch konzipiert­e Typen. In der Mitte der Bühne befand sich eine Öffnung, die sich mehr und mehr als offenes Grab manifestie­rte. Eben dort trifft sich diese Gruppe im Jahr 2037. Anlass ist der Tod Abduls, der gleichzeit­ig als Erzähler fungiert.

Zur Flüchtling­swelle 2015 haben sich alle kennengele­rnt, nun träumen sie von damals. Alle sind wunderbar integriert. Genau das ist für Abdul das Problem. Sie haben sich zu sehr assimilier­t. Deshalb will er sich und alle mit einem Brandansch­lag vernichten. Zündstoff hat das Thema in jedem Fall, schade, dass die Dialoge größtentei­ls sehr platt und unmotivier­t vulgär daherkomme­n, dass der Klamauk im Vordergrun­d steht. Andernfall­s hätten es vielleicht alle Zuschauer bis zum Schlussvor­hang geschafft.

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