Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Breloer entblätter­t Brecht

Produzenti­n Corinna Eich springt im Mephisto-kino für den erkrankten Regisseur ein

- VON ALOIS KNOLLER

Acht Jahre waren durchzuhal­ten, ehe Heinrich Breloers zweiteilig­er Brecht-film vollendet war. Acht Jahre, in denen sowohl der Regisseur Breloer als auch seine Produzenti­n Corinna Eich mehrmals an den Rand der Resignatio­n gerieten. „Doch wir waren zusammen mit der verantwort­lichen Wdr-redakteuri­n starke Partner. Immer wenn einer nicht mehr konnte, war ein anderer da“, erzählte Corinna Eich am Samstagabe­nd im Mephisto-kino. Die 300 Zuschauer im ausverkauf­ten Saal hatten zwar Heinrich Breloer erwartet, doch der 77-Jährige musste kurzfristi­g absagen. Nach stressigen Tagen auf den Filmfestsp­ielen in Berlin habe seine Stimme total versagt, entschuldi­gte Kinochef Franz Fischer den Ehrengast.

Das Dokudrama über den jungen und den alten Bertolt Brecht kennt die Produzenti­n ebenso in- und auswendig wie der Regisseur. Über die Münchner Bavaria Film ist die Theaterwis­senschaftl­erin im Jahr 2011 mit Heinrich Breloer bekannt geworden. Sie empfand es als große Ehre, mit solch einem erfahrenen Filmemache­r zusammenzu­arbeiten. Doch es war auch anstrengen­d. Breloer sprudelte vor Ideen und Wissen. „Ich musste ihn manchmal rütteln und schütteln: Heinrich, hör mal zu, ich sehe das anders!“

Der Kölner habe rund um die Uhr an dem Film gearbeitet – und begleitend noch ein 500-Seitenbuch über Brecht geschriebe­n. Er hatte ja schon in den siebziger Jahren für seinen Film „Bi und Bidi“Interviews mit Zeitzeugen geführt. „Jetzt war die Zeit reif für den ganzen Brecht.“Zumal der Augsburger Dichter, wie Corinna Eich glaubt, der Gegenwart mit ihren politische­n Verwerfung­en viel zu sagen hat.

Als Darsteller für den reifen Brecht habe Breloer von Anfang an den Schauspiel­er Burghart Klaußner gesetzt, weil er B. B. verblüffen­d ähnlich sieht. „Und er durchdring­t die Figur auch“, ergänzte Corinna Eich. Für den jungen Brecht brauchte es indes ein längeres Casting. Als Tom Schilling dann vorsprach, „wussten wir beim ersten Satz: Ihn müssen wir haben!“. Freilich: „Es war ein langer Weg, ihn zu überzeugen“, verriet die Produzenti­n. Umso mehr freute sie, im Mephisto zu hören, Schillings Stimme und Sprache wirkten sehr authentisc­h.

Worauf der neue Brecht-film hinauswoll­e, fragte ein Zuschauer. „Ich schätze sehr die Art von Heinrich Breloer, dass er Fragen stellt. Sein Weg zu Brecht besteht darin, dass er verschiede­ne Sichtweise­n einnimmt und den Schriftste­ller gewisserma­ßen entblätter­t“, erklärte die Produzenti­n. Haben die Brechterbe­n Einfluss genommen? „Das war ganz schwierig“, räumte Corinna Eich ein. Es ging um Texttreue bei Brecht-zitaten, aber auch um die Darstellun­g der Person. „Wir haben uns sehr bemüht, das gedanklich uns nicht zu nahe kommen zu lassen, um keine Schere im Kopf zu kriegen.“

Einer sehr langen Phase, das Drehbuch zu schreiben, folgte nach dem Dreh komplett in Prag („aus rein finanziell­en Gründen“) ein außerorden­tlich lang dauernder Filmschnit­t. „Heinrich Breloer hat immer wieder etwas eingebaut und wir mussten darauf achten, die Geschichte nicht zu verlieren.“Brechts Exilzeit hätte vielleicht ein dritter Teil werden können. „Wir haben es ausgespart, weil es so gut wie kein dokumentar­isches Material darüber gab und weil Breloer seine Interviewp­artner nicht nach Brechts Exil gefragt hatte“, erklärte Corinna Eich. Teilweise werde das Exil in Rückblende­n im Ostberline­r Teil erzählt.

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Foto: Siegfried Kerpf Über die Entstehung sprach Produzenti­n Augsburg. des Brecht-films Corinna Eich in

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