Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Antreten
Eine Diva, nach der man sich mitten im Satz umdrehen würde, ist dieses Wort nicht. Wo es auftaucht, vermutet man eher keinen großen Auftritt. „Antreten“– das klingt nach Appell auf dem Kasernenhof, nach Rapport beim Abteilungsleiter und Antrittsvorlesung an der Universität Paderborn.
Aber diese Woche hat uns wieder gezeigt, dass große Vorgänge mit dem unscheinbaren Verb antreten verbunden sind. Ronaldo, den sie in Italien nun „Marsmensch mit drei Eiern“nennen (und der auch vorher schon divenhafter war als Marlene Dietrich und Justin Bieber zusammen), hat im entscheidenden Moment im Spiel gegen Atlético Madrid Größe gezeigt. Er ist zum Elfmeter angetreten, den er für Juventus verwandelte – es war sein drittes Tor beim 3:0. Der Mann ist sein Antrittsgeld wert. Und bei Real wird man weinen, weil niemand da ist, der sein Erbe antreten könnte.
Und umgekehrt fetzt das Verb auch. Welche Schockwirkung – und sei es nur in der bayerischen SPD und im Herzen der Nürnberger – jemand auszulösen vermag, der verkündet, nicht mehr antreten zu wollen, führte Ulrich Maly dem Publikum vor. Zu Wochenanfang überraschte der geschätzte Oberbürgermeister mit einem Auftritt vor der Presse, bei dem er verkündete, 2020 bei der Ob-wahl nicht mehr für seine SPD ins Rennen zu gehen. Wer nicht mehr antritt, tritt ab. Mancher kalt erwischte Genosse schaute betreten und seufzte angesichts der Zukunft, in die Nürnbergs Sozis nun eintreten, still vor sich hin: Ich glaub, mich tritt ein Pferd! Nun rätselt man, wer Malys Nachfolge antritt.
Auch Sahra Wagenknecht, Deutschlands linke Diva, betrat zu Wochenanfang mit einem Paukenschlag die Bühne. Das wird kein Antrittsbesuch, schwante dem Publikum. Wieder ist etwas aus dem Tritt geraten. Tatsächlich: Sie tritt ab bei der Bewegung „Aufstehen“und tritt nicht mehr an als Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag. Als wäre all das nicht schon genug, trat dann auch Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl gleichsam nach. Auch er gedenkt, die Tretmühle Rathaus zu verlassen: kein Rücktritt zwar, aber auch kein Antreten mehr 2020. Wofür er künftig eintritt?
Vielleicht folgen all die nicht mehr Antretenden ja diesem Poesiealbumspruch 2.0: „Um wirklich erfolgreich zu sein, muss man gegen sich selber antreten, nicht gegen die anderen.“