Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie viele Sozialwohnungen braucht die Stadt?
Die Mieten in Augsburg stiegen zuletzt stärker als in anderen deutschen Städten, mehrere tausend Einheiten für Bürger mit niedrigem Einkommen fehlen. Nun muss diskutiert werden, wie die Situation anders werden kann
In die Frage, wie viele geförderte Wohnungen nötig und bei Investoren durchsetzbar sind, kommt Bewegung: Sozialbürgermeister Stefan Kiefer (SPD) wird kommende Woche im Sozialausschuss des Stadtrates ein Papier vorstellen, in dem es heißt, dass in Augsburg mehrere tausend geförderte Wohnungen für Bürger mit niedrigen Einkommen fehlen. In der seit Jahren laufenden Diskussion zwischen SPD und CSU liegen nun erstmals Zahlen auf dem Tisch. Der Stadtrat wird wohl im Lauf des Jahres endgültig entscheiden, wie es weitergeht.
Die Zahl an geförderten Wohnungen (früher Sozialwohnungen) ist ein Hebel von Kommunen, um Mietpreise zu dämpfen. In Augsburg stiegen die Mieten zuletzt bundesweit mit am stärksten, auch wenn die absoluten Zahlen (wie auch die Einkommen) deutlich unter München oder Stuttgart liegen.
Thomas Weiand, Vorsitzender des Mietervereins, fordert seit Jahren mehr geförderte Wohnungen in Augsburg. Die Maximalrendite sei für Unternehmen so vielleicht nicht zu holen, aber immer noch ein Gewinn. Zögen die Investoren nicht mit, müsse die Stadt mehr Druck machen. Die SPD will eine Quote von 25 Prozent. Bei fast jedem Neubaugebiet gibt es seit Beginn der Regierungsperiode Diskussionen. Errichtet werden solche Wohnungen, deren Bau vom Staat unterstützt wird, in Augsburg meist von der städtische Wohnbaugruppe (WBG). Auch private Investoren können solche Wohnungen bauen, wobei diese sich eher zurückhalten.
Von geförderten Wohnungen profitieren in Augsburg mit seiner Einkommensstruktur breite Bevölkerungsschichten, weil eine Ghettoisierung – also Viertel mit sozial schlechter gestellten Bürgern – inzwischen vermieden werden soll. Belegt werden solche Wohnungen nach drei Einkommensstufen: In der untersten Stufe liegen Empfänger von Sozialleistungen, in der höchsten sind Familien aus der Mittel- schicht vertreten. Für zwei Erwachsene mit zwei Kindern liegt die Einkommensgrenze bei 82 700 Euro pro Jahr (siehe Kasten). Lege man diese Berechnung zugrunde, kämen laut Kiefer 75 Prozent der Augsburger als Bewohner in Frage. Um die Bürger optimal zu versorgen, ergebe sich rechnerisch eine Quote von 50 Prozent in Neubaugebieten.
Dass eine derart hohe Quote kommt, ist unwahrscheinlich. In jedem Fall brauche es mehr geförderte Wohnungen, heißt es in Kiefers Bericht. Neben Geringverdienern hätten auch Senioren, Obdachlose und Alleinerziehende Bedarf. Das Referat schätzt, dass etwa die Hälfte der Haushalte von Alleinerziehenden Anspruch auf eine Sozialwohnung hätte. „Der Konkurrenzkampf auf dem Wohnungsmarkt führt dazu, dass Familien in prekäre Situationen geraten“, so Kiefer.
Vorgeschlagen wird auch, die Bindungsfrist (die Zeit, in der eine mit Förderung gebaute Wohnung vom Eigentümer als Sozialwohnung zu vermieten ist) von meist 25 Jahren auf 40 Jahre zu verlängern. Hintergrund: 1992 gab es in Augsburg mit 22900 Sozialwohnungen einen Höchststand (18,4 Prozent des Bestandes). Inzwischen liegt der Anteil bei 5,4 Prozent (8200 Wohnungen), weil viele Wohnungen aus der Preisbindung fielen und in den freien Wohnungsmarkt gingen. Allerdings muss man dabei berücksichtigen, dass die Wohnbaugruppe als großer Vermieter ihre Wohnungen auch dann günstig weitervermietet, wenn diese aus der Bindung fallen.
Seit 2012 steigt die Zahl der geförderten Wohnungen wieder leicht an. Die Wohnbaugruppe wird ihr Ziel, 100 neue Wohnungen pro Jahr neu zu bauen, mittelfristig erreichen bzw. übererfüllen. Allerdings, sagt Wbg-geschäftsführer Mark Dominik Hoppe, könne sein Unternehmen nicht mehr leisten – allein schon wegen des Mangels an bezahlbaren Grundstücken.
Zentraler Punkt in der politischen Diskussion zwischen SPD und CSU wird sein, inwieweit private Investoren mit Vorschriften zum sozialen Wohnungsbau überzogen werden dürfen. Die CSU äußerte in der Vergangenheit, dass am Ende weniger Wohnungen gebaut werden könnten, wenn die Anforderungen zu hoch geschraubt werden. Die SPD sieht nach Kiefers Vorlage Baureferent Gerd Merkle (CSU) am Zug. „Nach jahrelangem Stillstand ist ein Konzept des Baureferats zur sozialgerechten Bodennutzung überfällig“, so Vorsitzende Ulrike Bahr. „Wir wollen nicht, dass Immobilienkonzerne spekulieren und mit Grund und Boden zocken.“
Im Baureferat wird seit über einem halben Jahr an einem Vorschlag gearbeitet, wie das Thema zu lösen ist. Möglicherweise wird es am Ende auf eine Quote – in welcher Höhe auch immer – hinauslaufen. Die Vorlage des Sozialreferats sei nur ein Baustein in der ganzen Thematik, heißt es aus dem Baureferat. Merkle führte bisher immer an, dass eine Kommune mit Investoren zwar Vereinbarungen treffen darf, was den Bau von Kitas oder eben Sozialwohnungen betrifft. Dies ist momentan auch gängige Praxis. Allerdings dürften diese Vorgaben nicht überzogen sein, wenn sie rechtlich Bestand haben sollen.
Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, werden Modelle aus anderen Städten (viele haben 20 Prozent geförderten Wohnbau in Neubauvierteln) verglichen. „Derzeit läuft die verwaltungsinterne Abstimmung, dann soll eine politische Diskussion geführt werden“, so Merkle. Das Thema soll heuer in den Stadtrat gehen.
Stadtrat Alexander Süßmair (parteilos, vormals Linke) sieht auch geförderte Wohnungen von privaten Bauträgern nicht als Lösung. Selbst bei der Maximalförderung liege die Miete am Ende bei acht Euro und könne dann sukzessive erhöht werden. Die Stadt sei gut beraten, mehr Grundstücke zu kaufen und sie der Wohnbaugruppe oder Bau- und Bürgergenossenschaften zur Verfügung zu stellen. Beim Zeuna-areal sei diese Chance zuletzt vertan worden.