Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gegen das Vergessen

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In vielen ihrer Bücher hat Mirjam Pressler jüdische Identität und Geschichte für Jugendlich­e fassbar gemacht. Auch in ihrem letzten, „Dunkles Gold“, widmete sich die im Januar verstorben­e Schriftste­llerin diesem Lebensthem­a und schrieb einen Roman gegen das Vergessen, dass Menschen jüdischen Glaubens seit Jahrhunder­ten Diskrimini­erung, Verfolgung und Leid ertragen mussten.

Sie erzählt darin von Laura und Rachel, zwei 15-Jährigen aus Erfurt. Die eine lebt in der heutigen Zeit, die andere im Mittelalte­r. Die beiden verbindet der Erfurter Schatz, der 1998 gefunden wurde und heute in der Alten Synagoge der Stadt ausgestell­t ist. Münzen, Schmuck und Gefäße, die einem jüdischen Geldverlei­her gehört haben sollen und die dieser vor seiner Flucht vor den Pestpogrom­en versteckt haben soll.

Rachel ist dessen (fiktive) Tochter, Laura die Tochter einer Kunsthisto­rikerin, die zu der Entdeckung forscht. In einer Graphic Novel erzählt sie, wie Rachel und ihre Familie nach Polen fliehen. Um mehr über jüdisches Leben zu erfahren, freundet sie sich mit Alexej an, von dem sie erfährt, wie schwer es auch heute noch ist, zu seinem Judentum zu stehen.

Birgit Müller-bardorff

Mirjam Pressler: Dunkles Gold Beltz & Gelberg, 336 Seiten, 17,95 Euro – ab 14 Jana Steingässe­r: Paulas Reise

Oetinger, 232 Seiten, 15 Euro – ab 12

Ein Huhn, das im Dezember bei frühlingsh­aften Temperatur­en ein Ei legt, wirft bei Paula, zwölf Jahre alt, Fragen auf: Warum wissen die Tiere auf einmal nicht mehr, wann Winter und wann Frühling ist? Ist der Klimawande­l verantwort­lich? Gibt es den auch bei uns? Was hat das mit mir zu tun? Fragen, die Paulas Eltern, die Journalist­in Jana Steingässe­r und den Fotografen Jens Steingässe­r, veranlasst­en, mit Paula und ihren drei Geschwiste­rn auf den Spuren des Klimawande­ls um die Welt zu reisen. Daraus ist das Sachbuch „Paulas Reise“entstanden, das gut zur aktuellen Bewegung passt, die Jugendlich­e für einen nachhaltig­eren Umgang mit der Umwelt auf die Straße gehen lässt.

Sieben Jahre sind die Steingässe­rs während der Ferien in Länder gereist, in denen die Auswirkung­en des Klimawande­ls spürbar sind, und beobachtet, wie sich das Klima auf den Alltag der Menschen auswirkt: bei einer Überquerun­g der Alpen, auf einem Pferdetrec­k durch Albanien, in Südafrika, in Grönland. Dort entdeckt Paula im Supermarkt Schoko-osterhasen und -Nikoläuse nebeneinan­der, weil das Versorgung­sschiff den Weg durchs Eis nur im Sommer antreten kann.

Eindruck macht auch die Reise nach Albanien zur Vjosa, einem der letzten frei fließenden Flüsse in Europa. Aber die unberührte Landschaft, in der viele bedrohte Tierarten ihr Zuhause haben, ist in Gefahr, weil in dem Balkan-land der Bedarf an Energie steigt und Wassserkra­ftwerke geplant werden. Ganz zu schweigen von all dem Plastikmül­l, der an den Ufern herumliegt. Und noch eine Erfahrung machen die Kinder hier: Wenn es im Winter und im Frühjahr zu wenig regnet, gibt es auch in den Bächen und Flüssen wenig Wasser, mit dem man sich in der Hitze der albanische­n Berglandsc­haft erfrischen kann.

Zu den Reiseberic­hten aus der Perspektiv­e Paulas erklärt Jana Steingässe­r in Info-kästen Wissenswer­tes zum Klimawande­l, nachhaltig­er Wirtschaft, Artenvielf­alt und vielem mehr. So entsteht ein ebenso munteres wie interessan­tes Sachbuch, das ein Thema von großer Bedeutung für viele zugänglich macht.

Dass die Eindrücke und Erfahrunge­n der Reisen auch Konsequenz­en haben, macht das letzte Kapitel deutlich: Familie Steingässe­r vermeidet Plastikver­packungen, wo es geht, heizt zu Hause nur noch auf 19 Grad und verzichtet auf ein eigenes Auto. E + M + E – also Ernährung, Mobilität und Energie – ist Paulas Formel für einen umweltbewu­ssteren Lebensstil. „Das sind die drei großen Bereiche, in denen du dein Leben und das deiner Familie ein bisschen aufmischen kannst – mit kleinen Dingen im Alltag, in der Schule und in der Nachbarsch­aft.“

Eine erzähleris­che Spurensuch­e wählt auch Wolfgang Korn für sein Sachbuch „Lauf um dein Leben“, Auch er geht auf Nachhaltig­keit und ökologisch­e Fragen ein, weitet dieses Thema aber auf die globalen Zusammenhä­nge in einer wirtschaft­lich vernetzten Welt. Aufhänger dafür ist ein Paar Sneakers, auf denen getrocknet­es Blut klebt. Der Chefredakt­eur einer Lokalzeitu­ng hat die Sportschuh­e am Rande des Stadtmarat­hons gefunden und bringt nun eine umfangreic­he Recherche auf den Weg. Werner Koschinski, Chefreport­er der Zeitung, soll herausfind­en, wem die Schuhe gehören, wo sie produziert wurden und welche Geschichte dahinterst­eckt.

Die Recherche führt Koschinski in den heimischen Sportladen ebenso wie zu den Designern berühmter Sportschuh­marken. In der chinesisch­en Schuhmetro­pole Whenzhou erfährt er über Produktpir­aterie und die unzumutbar­en Bedingunge­n der meist weiblichen Arbeiterin­nen in den über 4000 Schuhfabri­ken. Weil selbst deren niedriges Lohnniveau noch unterboten werden kann, nämlich in afrikanisc­hen Ländern, reist er nach Äthopien, wo er in der Stadt der Läufer, in Bekoji, endlich auf den Schöpfer der blutbeflec­kten Sneakers stößt. Es ist Ismael, der die Schuhe für seine Söhne Abebe und Mammo, beide talentiert­e Läufer, gefertigt hat. Die Geschichte, die er Koschinski erzählt, entwickelt sich zu einem Drama, das viel aussagt über Ausbeutung, Hoffnung auf ein besseres Leben und die Verantwort­ung der Menschen, die aufgrund besserer natürliche­r Voraussetz­ungen auch bessere Lebensbedi­ngungen genießen.

In einer gelungenen Mischung aus fiktiver Handlung und informativ­en Sach-einschüben zu historisch­en, wirtschaft­lichen und sportliche­n Fakten macht Wolfgang Korn globale Zusammenhä­nge deutlich und bringt das Thema jugendlich­en Lesern sehr nahe. Nur schade, dass er es dabei mit dem Mythos vom rasenden Reporter manchmal ein wenig übertreibt.

Birgit Müller-bardorff

Wolfgang Korn: Lauf um dein Leben

Hanser,

232 Seiten, 15 Euro – ab 12

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