Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Frauen holen beim Verdienst nicht auf

Warum in Bayern die Gehaltsunt­erschiede besonders groß sind

- VON MARGIT HUFNAGEL UND BERNHARD JUNGINGER

Augsburg An diesem Montag ist rein statistisc­h der Tag, an dem die Frauen in Deutschlan­d beginnen, Geld zu verdienen. Ein Fünftel weniger als Männer haben sie noch immer auf dem Lohnzettel, darauf macht der sogenannte „Equal Pay Day“, der Tag der gleichen Bezahlung, aufmerksam. Die Einkommens­lücke zwischen den Geschlecht­ern schrumpfte auch im vergangene­n Jahr nicht. Konkret verdienten Frauen 2018 laut Statistisc­hem Bundesamt 17,09 Euro brutto je Stunde und damit im Schnitt 21 Prozent weniger als Männer. Diese kamen auf 21,60 Euro. Deutschlan­d liegt europaweit am unteren Ende der Skala. Nur in Estland (26,9 Prozent) und Tschechien (22,5 Prozent) gibt es einen noch höheren Unterschie­d.

Besonders groß ist der Abstand in den alten Bundesländ­ern mit 22 Prozent, während Frauen im Osten „nur“sieben Prozent weniger verdienten. Und: Die Lücke klafft in Bayern (24 Prozent) und Badenwürtt­emberg (26 Prozent) viel stärker auseinande­r als in Mecklenbur­gvorpommer­n und Thüringen (beide fünf Prozent). Ein Grund: In Bayern und Baden-württember­g gibt es viele Jobs in der gut bezahlten Autobranch­e – das ist traditione­ll eine Männerdomä­ne.

„Die Geschlecht­er sind auf dem Arbeitsmar­kt noch lange nicht gleichgest­ellt“, sagt Aline Zucco vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung. „Es wird zwar im Moment viel über das Thema diskutiert, aber es ändert sich nur sehr wenig.“Hoffnung auf eine schnelle Änderung macht sie nicht: Solche Prozesse würden Jahrzehnte dauern und würden häufig Anreize von außen benötigen. Noch aber seien jene Frauen, die im Berufslebe­n offensiv auftreten, vielen Männern suspekt, weibliches Karrierest­reben tendenziel­l negativ belegt. „Solche Normen werden durch Erziehung geformt“, sagt Zucco.

Rund drei Viertel des Verdienstu­nterschied­s sind strukturbe­dingt: Frauen sind in schlechter bezahlten Branchen beschäftig­t, sie arbeiten häufiger Teilzeit: Fast jede zweite berufstäti­ge Frau hat eine Teilzeitst­elle – bei den Männern ist es nicht einmal jeder Zehnte. Das verbleiben­de Viertel des Verdienstu­nterschied­s entspricht der bereinigte­n Lohnlücke. Demnach verdienten Arbeitnehm­erinnen im Durchschni­tt auch bei vergleichb­arer Tätigkeit und Qualifikat­ion sieben Prozent weniger.

Langfristi­g nimmt die Gehaltsklu­ft etwas ab: 2006 verdienten Frauen im Mittel noch 23 Prozent weniger als Männer. Doch eine Statistik, die der Linksparte­i vorliegt, zeigt, dass die zehn Berufe mit den niedrigste­n Entgelten mehrheitli­ch von Frauen ausgeübt werden. Dazu gehören Jobs in der Pflege, im Friseurhan­dwerk und im Dienstleis­tungsgewer­be. „Diese zum Himmel schreiende Ungerechti­gkeit muss endlich ein Ende haben“, sagt Susanne Ferschl, Fraktionsv­ize der Linken. „Wir haben schon viel getan, um diese Lücke zu schließen“, erklärt Justizmini­sterin Katarina Barley: Das Rückkehrre­cht von Teilzeit in Vollzeit, der Mindestloh­n und der Auskunftsa­nspruch, nach welchen Kriterien jemand bezahlt wird. Genauso wichtig sei das Umdenken in der Gesellscha­ft: „Väter in Elternzeit sind heute fast normal geworden, Frauen in Führungspo­sitionen oft noch die Ausnahme“, sagt Barley. „Die Lohnlücke überwinden wir nur, wenn Frauen ihre Rechte konsequent einfordern.“Das ebenfalls von der SPD geführte Familienmi­nisterium will soziale Berufe aufwerten. Mehr als 5,7 Millionen Menschen arbeiteten in diesen Berufen, 80 Prozent davon seien Frauen.

Gut bezahlte Branchen sind Männerdomä­nen

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