Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Eine Bankenfusi­on würde zigtausend­e Jobs kosten

Die Ehe von Deutscher Bank und Commerzban­k ergäbe nicht unbedingt ein starkes Institut. Dafür käme es wohl zu massiven Einschnitt­en bei Filialen und Mitarbeite­rn

- VON MICHAEL KERLER mke@augsburger-allgemeine.de

Die Zeit, als der frühere Deutsche-bank-chef Josef Ackermann die Finger zum Victoryzei­chen spreizte, ist definitiv vorbei. Zahlreiche Skandale haben die größte deutsche Bank durchgesch­üttelt. Die Commerzban­k laborierte lange an den Folgen der Finanzkris­e. Beide Institute sind ein Schatten ihrer selbst, Deutsche-bank-chef Christian Sewing und sein Kollege Martin Zielke von der Commerzban­k haben (zumindest zum Teil) Demut gelernt. Auf Dauer aber sind die schwindsüc­htigen Aktienkurs­e unbefriedi­gend, zumal es der Deutschen Bank schwerer fällt, sich günstig Geld am Kapitalmar­kt zu besorgen. Das belastet ihre Wettbewerb­sfähigkeit. Jetzt loten beide Institute den Zusammensc­hluss aus. Nur ob dies der Weg zu einem neuen „nationalen Champion“ist, dahinter muss ein dickes Fragezeich­en stehen. Die Fusion könnte zum Horrortrip werden.

Sicher, für die großen deutschen Konzerne ist es wichtig, im globalen Geschäft ein starkes deutsches Institut an ihrer Seite zu wissen. Den Bau großer Industriek­omplexe im Ausland, wie sie Siemens oder Thyssen-krupp errichten, können selbst die besten Regionalba­nken nicht finanziere­n. Gleiches gilt für die Begleitung von Börsengäng­en. Riskant wäre es da, müsste sich die deutsche Wirtschaft allein auf Banken aus den USA, der Schweiz oder Frankreich verlassen. Auch deshalb drängt das Finanzmini­sterium zu Fusionsges­prächen. Mit dem 15-Prozent-anteil des Bundes an der Commerzban­k hat Spdfinanzm­inister Olaf Scholz ein Druckmitte­l in der Hand. Der Weg zur „Deutschen Commerzban­k“könnte aber in die Irre führen.

Mit dem Zusammensc­hluss wäre von den Vorständen in den Banktürmen in Frankfurt über die EDV bis zum Filialnetz vieles doppelt vorhanden. Ohne Einsparung­en würde die Fusion keinen Sinn haben. Zigtausend­e Bank-arbeitsplä­tze, zahlreiche Geschäftss­tellen stünden plötzlich auf der Kippe. Dagegen dürfte es Jahre dauern, bis sich die Einsparung­en positiv bemerkbar machen. Ob Abfindunge­n für Mitarbeite­r oder eine einheitlic­he IT – das alles kostet zunächst Geld, viel Geld. Beide Institute sind derzeit aber selbst noch mitten im Umbau.

Nach einer Fusion wäre die neue Bank deshalb wohl auf Jahre mit sich selbst beschäftig­t, während ihr findige Finanz-start-ups im Nacken sitzen, die zum Beispiel den Zahlungsve­rkehr abwickeln. Eben erst hat Wirecard die Commerzban­k aus dem Dax verdrängt.

Dazu kommt, dass sich die Kulturen beider Institute unterschei­den wie im Modebereic­h vielleicht Hugo Boss und H&M. Die Deutsche Bank hätschelte über Jahre das Investment­banking, wo wilde Jungspunde in London riskante Milliarden-zockereien wagten. Die Commerzban­k dagegen setzte auf den Mittelstan­d und wirbt derzeit stark um Privatkund­en.

Mit Fusionen hat die deutsche Finanzbran­che sowieso wenig gute Erfahrunge­n gemacht. Nur zur Erinnerung: Die Allianz hatte sich an der Übernahme der Dresdner Bank im Jahr 2001 fast verschluck­t, bevor sie diese mitten in der Finanzkris­e 2009 an die Commerzban­k abgab, die dann vom deutschen Staat gerettet werden musste.

Dass große Institute nicht unbedingt stabiler sind, ist die Lehre aus der Finanzkris­e. Am Ende mussten die Steuerzahl­er mit Milliarden­summen einspringe­n. Eine Fusion von Commerzban­k und Deutscher Bank brächte in der gegenwärti­gen Situation keinen kraftstrot­zenden Riesen hervor, eher einen Zyklopen mit Rückenprob­lemen. Besser wäre es, Deutsche Bank und Commerzban­k schlössen zunächst ihre eigenen Umbauprogr­amme ab.

Die Fusion könnte zum Horrortrip werden

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