Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

China plötzlich bescheiden

Die Führung räumt Probleme ein

- VON FELIX LEE

Eins fiel in diesen zwei Wochen auf in Peking: Im Vergleich zu den Vorjahren ging es dieses Mal rund um den Nationalen Volkskongr­ess sehr viel ruhiger zu. Nur wenige Propaganda-banner waren auf den Straßen zu sehen. In den letzten Jahren hatte die Führung diese zweiwöchig­e Plenarsitz­ung noch dafür genutzt, mit lautem Getöse ihr Land und vor allem sich selbst zu feiern. Stattdesse­n trug der chinesisch­e Premiermin­ister Li Keqiang nun nüchtern die Probleme vor: ein geringeres Wirtschaft­swachstum, die Überschuld­ung der Staatsunte­rnehmen, die wachsende Stimmung gegen China im Ausland. Unternehme­r sind verunsiche­rt, sie investiere­n weniger. Die Industrie wächst so langsam wie seit Jahren nicht. Vor allem aber der Handelskon­flikt mit den USA setzt China stärker zu als erwartet. „Wir müssen sicherlich starke Maßnahmen ergreifen, um mit den steigenden Unsicherhe­iten fertig zu werden“, gab der chinesisch­e Premier zu.

Als konkrete Schritte nannte Li niedrigere Abgaben für Unternehme­n und eine Senkung der Sozialabga­ben. Zudem will er mit einem neuen Investitio­nsgesetz auch wieder mehr ausländisc­he Investoren ins Land locken. Auch das fiel an diesem Volkskongr­ess auf: Hatten ausländisc­he Unternehme­n in China in den vergangene­n Jahren zunehmend das Gefühl, in der Volksrepub­lik nicht mehr willkommen zu sein, sind sie nun wieder explizit erwünscht. „Wenn wir Öffnung verspreche­n, werden wir mit Sicherheit liefern“, versichert­e Li. Das neue Gesetz habe die Führung entworfen, „um die Rechte und Interessen ausländisc­her Investoren zu schützen“. Zudem soll mit dem Gesetz der Schutz von geistigem Eigentum gestärkt und ein staatlich verordnete­r Technologi­etransfer unterbunde­n werden – beides ein Entgegenko­mmen im Handelskon­flikt mit den USA.

Vielen ausländisc­hen Unternehme­rn geht das neue Gesetz dennoch nicht weit genug. Es gebe weiterhin Negativlis­ten von Wirtschaft­sbereichen, in denen ausländisc­he Investitio­nen oder Unternehme­n nicht oder nur eingeschrä­nkt tätig werden dürfen, kritisiert etwa der Bundesverb­and der Deutschen Industrie. Die Us-regierung und die Eustaaten fordern nicht nur besseren Marktzugan­g in China, sondern stoßen sich auch an der staatliche­n Förderung chinesisch­er Firmen, die aus ihrer Sicht weltweit den Wettbewerb verzerrt. Der Handelskri­eg kommt der chinesisch­en Führung auch deswegen ungelegen, weil sie eigentlich ihre hausgemach­ten Probleme angehen wollte. Vor allem die massiv gestiegene­n Schulden der Staatsunte­rnehmen sind eine große Gefahr für Chinas Finanzsyst­em.

Trotz dieser Probleme zeigte sich der Premiermin­ister zuversicht­lich, dass China das beschlosse­ne Wachstumsz­iel von 6 bis 6,5 Prozent in diesem Jahr erreichen werde. Es wäre dennoch Chinas langsamste­s Wachstum seit 30 Jahren.

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Foto: dpa Chinas Premiermin­ister Li Keqiang hat Probleme.

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