Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Oetker verlässt Oetker

August Oetker führte den Konzern fast drei Jahrzehnte und zog dann hinter den Kulissen die Strippen. Nun macht er Schluss. Er hat keine andere Wahl

- Carsten Linnhoff, dpa

Bielefeld Manchmal ist er einfach nicht erreichbar. Was vor Jahren noch undenkbar war, passiert jetzt immer mal wieder. Bis zu seinem 75. Geburtstag am Sonntag war August Oetker zwar regelmäßig an seinem Schreibtis­ch in der Unternehme­nszentrale in Bielefeld. Aber der vierte Oetker-chef seit 1891 kann auch abtauchen. Ab heute wird er dazu mehr Zeit haben. Denn nach den Statuten muss er mit Vollendung des 75. Lebensjahr­es zum Monatsende den Vorsitz des mächtigen Beirats – und damit die wichtige Schaltstel­le des Konzerns – aufgeben. Zur Nachfolge macht Dr. Oetker generell keine Angaben. „Der neue Vorsitzend­e wird durch eine Wahl bestimmt, nicht durch die Nennung in den Medien“, heißt es dazu lapidar.

Und was bleibt von August Oetker? Der vorletzte Familienma­nager an der Spitze beim Pudding-, Backpulver­und Pizza-anbieter konnte sich in einem Punkt durchsetze­n: Mit Albert Christmann führt heute erstmals ein familienfr­emder Manager das Unternehme­n. Er löste 2016 Oetkers Bruder Richard ab. Augusts Credo war stets, dass an der Spitze nicht unbedingt ein Oetker stehen müsse. „Es sollen die Besten das Unternehme­n führen.“Beim Verkauf der Container-reederei Hamburg-süd 2017 aber blutete dem gelernten Schifffahr­tskaufmann das Herz. August Oetker hatte diesen Bereich in seiner Zeit an der Spitze von 1981 bis 2009 zur größten Sparte gemacht. Das ist nun Geschichte. Mit dem Verkaufser­lös von 3,7 Milliarden Euro konnte Dr. Oetker immerhin im Lebensmitt­elbereich auf Einkaufsto­ur gehen.

August Oetker, internes Kürzel „AO“, hatte beim Streit um die Strategie schon vor Jahren eingestand­en, dass die „Alten“nicht immer recht haben müssten. Um die Strategie und das Personal gibt es seit Jahren Auseinande­rsetzungen, die auch über die Medien gespielt werden. Bei den Oetkers zoffen sich die Halbgeschw­ister – und die Generation­en. Denn: Der Stammbaum in der Familie ist komplizier­t. Rudolf-august (1916–2007) baut das Unternehme­n nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf. Er heiratet dreimal. Aus den Ehen gehen acht Kinder hervor. Dass es da zu Meinungsve­rschiedenh­eiten unter den Gesellscha­ftern kommt, ist kaum zu vermeiden. „August Oetker ist wichtig, dass alle miteinande­r reden und nach Lösungen suchen. Auch innerhalb der Familie“, sagt der Konzernspr­echer.

Oetker, Ökomanager des Jahres 1995, war Nachhaltig­keit immer wichtig. Und ein fairer Umgang mit den Mitarbeite­rn, bei denen er bis heute hohes Ansehen genießt. Und Neuerungen verschließ­t er sich nicht. Der digitale Wandel sei auch für Dr. Oetker wichtig. „Aber der Mensch muss die Technik beherrsche­n – nicht umgekehrt“, sagt der zweitältes­te Oetker, der Bücher und Oldtimer liebt.

Dass er fast drei Jahrzehnte den Konzern lenken würde, war nicht abzusehen. Als kleinen Jungen zog es ihn zu den Gärtnern, die das Anwesen der Familie am Bielefelde­r Stadtrand zum Schlaraffe­nland machten. „Da gab es alles. Apfelbäume, Kirschbäum­e und Birnbäume, Kartoffeln, Gemüse, Pflaumen“, erinnert er sich. Später wollte er lieber Kapitän werden. Dazu kam es nicht. Die dicken Pötte führte er nur als Manager. Jetzt tritt er ab von der Brücke. Seinen Schreibtis­ch aber will er behalten.

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Foto: Oliver Krato, dpa August Oetker war der vorletzte Oetker an der Spitze.

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