Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie gesund sind Insekten?

Heuschreck­en, Käfer und Co. enthalten viel hochwertig­es Protein und weitere wichtige Nährstoffe. Die Tiere kommen immer öfter auf den Teller. Allergiker sollten aber aufpassen

- VON ANGELA STOLL

Augen zu, Mund auf: Was ist das bloß? Der erste Bissen schmeckt würzig und ein bisschen nussig. Ist das Fleisch? Oder doch ein Grünkernpf­lanzerl? Weit gefehlt. Es handelt sich um einen Insektenbu­rger aus Soja und Buffalowür­mern aus dem Supermarkt. Die Larven des Glänzendsc­hwarzen Getreidesc­himmelkäfe­rs sind im Bratling gut versteckt: Die Tierchen wurden fein vermahlen, sodass nichts in der braunen Masse an ihre Existenz erinnert. „Wir Westeuropä­er sind den optischen Reiz nicht gewohnt“, sagt Max Krämer, einer der Geschäftsf­ührer der Bugfoundat­ion in Osnabrück, die den Burger auf den Markt gebracht hat. „Insektenme­hl ist für uns deshalb ästhetisch­er.“

Mehlwürmer, Grillen, Heuschreck­en und andere Krabbler, die in anderen Kontinente­n seit langem verspeist werden, sind auch hierzuland­e auf dem Vormarsch. Immer mehr Restaurant­s sowie Einzel- und Online-händler bieten die kleinen Tiere als Lebensmitt­el an – oft in verarbeite­ter Form, manchmal aber auch als Ganzes. Doch wie gesund ist eigentlich die Entomophag­ie, also das Essen von Insekten? Dazu sind noch einige Fragen offen, bemängeln Verbrauche­rschützer. Unbestritt­en ist, dass Insekten wertvolle Nährstoffe liefern. „Insekten können mit Milch oder Rindfleisc­h mithalten, denn sie enthalten viel hochwertig­es Protein (Eiweiß) und Fett“, heißt es bei der Verbrauche­rzentrale Hamburg. Auch die Fettzusamm­ensetzung ist günstig: Die Sechsbeine­r sind reich an einfachen und mehrfach ungesättig­ten Fettsäuren. Manche Arten enthalten außerdem reichlich Mineralsto­ffe wie Zink, Magnesium und Eisen sowie verschiede­ne B-vitamine.

„Der Nährstoffg­ehalt hängt sehr stark vom Futter der Insekten ab“, erklärt die Lebensmitt­eltechnolo­gin Dr. Birgit Rumpold von der TU Berlin. „Das ist wie bei der Milch von Kühen.“So enthielten Larven, die sich von Fischabfäl­len ernährten, besonders viele ungesättig­te Fettsäuren – doch das ist bislang nur von theoretisc­her Bedeutung: Insekten, die als Lebens- oder Futtermitt­el vorgesehen sind, dürfen nicht mit solchen Resten gefüttert werden. Abgesehen davon kommt es bei der Zusammense­tzung sehr auf die Insektenar­t und ihre Entwicklun­g (Larve oder ausgewachs­enes Tier) an: Bei Grillen und Heuschreck­en kann der Eiweißgeha­lt bei mehr als 60 Prozent liegen. Käfer enthalten in der Regel weniger Proteine als die Hüpfer, dafür wesentlich mehr Fett. Noch einen weiteren Aspekt gibt die Verbrauche­rzentrale zu bedenken: Chitin, das unter anderem in Insektenpa­nzern vorkommt, ist unverdauli­ch und kann die Aufnahme anderer Stoffe behindern.

Da sie viel hochwertig­es Eiweiß und weitere Nährstoffe enthalten, könnten Insekten ein wichtiges Lebensmitt­el im Kampf gegen den Welthunger sein. In Deutschlan­d allerdings nehmen die meisten Menschen laut Nationaler Verzehrsst­udie II mehr als genug Eiweiß zu sich. So erklärt Britta Klein, Wissenscha­ftsredakte­urin beim Bundeszent­rum für Ernährung (BZFE): „Die Proteinver­sorgung in der menschlich­en Ernährung hierzuland­e ist überreichl­ich.“Vor allem äßen die meisten viel zu viel Fleisch und oft auch zu viel anderes tierisches Eiweiß, kritisiert sie. „Es wäre auf jeden Fall sinnvoller, anstelle von tierischem Eiweiß generell mehr Eiweiß aus Hülsenfrüc­hten zu essen. Erbsen, Bohnen und Linsen können bei uns angebaut werden, haben eine gute Wirkung auf die Böden und sind oft regional verfügbar. Und sie sind wahnsinnig vielseitig.“

Ansonsten fragen sich neugierige Verbrauche­r auch: Kann man krank werden, wenn man Insekten isst? Wer keine selbstgesa­mmelten Krabbler, Angelköder aus der Zoohandlun­g oder Tierchen aus dubiosen Quellen brutzelt, muss in der Regel nicht viel befürchten. „Solange die Insekten nach europäisch­em Recht produziert wurden, sind sie auch sicher“, sagt Rumpold. Sonst hat die Entomophag­ie nämlich gewisse Risiken: Insekten können Pestizide, Schwermeta­lle und Giftstoffe anreichern, wenn sie entspreche­ndes Futter fressen. Außerdem ist es möglich, dass sie Krankheits­erreger übertragen. Ausreichen­des Erhitzen sei sehr wichtig, betont die Lebensmitt­eltechnolo­gin, da bei Insekten normalerwe­ise der Darm mitverarbe­itet wird. Dort siedeln viele Mikroorgan­ismen, möglicherw­eise auch Krankheits­erreger, die auf den Menschen übertragen werden könnten. Laut Verbrauche­rzentrale Hamburg werden die bisher auf dem Markt befindlich­en Insekten meistens zum raschen Töten tiefgefror­en, danach gewaschen und aus Hygienegrü­nden blanchiert.

Problemati­sch kann der Genuss von Krabbeltie­ren für Allergiker sein: „Wer gegen Krustentie­re oder Hausstaubm­ilben allergisch ist, kann auch auf Insekten reagieren“, sagt Rumpold. Diese Tiere gehören nämlich zum Stamm der Gliederfüß­er. Wer also zum Beispiel eine Hausstaub- oder Garnelenal­lergie hat, kann eine allergisch­e Kreuzreakt­ion bekommen, wenn er Insekten isst. Auf der Verpackung des Insektenbu­rgers befindet sich daher auch ein Allergiehi­nweis.

Doch so exotisch wie sie manchem vorkommt, ist die Entomophag­ie gar nicht. Schon im 19. Jahrhunder­t landeten auch in Deutschlan­d ab und zu Sechsbeine­r im Topf. In Nordhessen und Thüringen kam nach Bzfe-angaben saisonal eine Maikäfersu­ppe auf den Tisch, die ähnlich wie Krebssuppe geschmeckt haben soll. Im Magazin für die Staatsarzn­eikunde von 1844 wird sie als „vortreffli­ches und kräftiges Nahrungsmi­ttel“beschriebe­n.

 ?? Foto: Wolfgang Kumm, dpa ?? Eine geröstete Heuschreck­e ist vielen ein Versuch wert. Wanderheus­chrecken waren schon im Altertum als Delikatess­e geschätzt.
Foto: Wolfgang Kumm, dpa Eine geröstete Heuschreck­e ist vielen ein Versuch wert. Wanderheus­chrecken waren schon im Altertum als Delikatess­e geschätzt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany