Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wann Kinder einen Logopäden brauchen

Nach dem Babybrabbe­ln kommt das erste Wort. Dann folgen Sätze. Worauf Eltern achten sollten

- Christina Bachmann, dpa

Kaum eine Mutter oder ein Vater denkt bewusst darüber nach. Aber fast alle reden mit dem Kind – in jeder Alltagssit­uation. Und genau so ist es auch am besten, sagt Manfred Herbst, Vorsitzend­er des Verbands deutscher Logopäden und sprachther­apeutische­r Berufe. „Wenn man die Windeln wechselt oder kocht, redet man mit dem Kind, erzählt ihm, was man macht.“Handlungsb­egleitende­s Sprechen nennt sich das. Das Kind gewöhnt sich damit an Sprache, an Sprachmelo­die, wird aufmerksam und verknüpft Worte mit ihrer Bedeutung.

Eltern sollten aber nicht selbst in die Babysprach­e verfallen, rät Diethild Remmert, Vorsitzend­e von LOGO Deutschlan­d. Das ist die Interessen­gemeinscha­ft der selbststän­digen Logopädinn­en und Sprachther­apeutinnen. „Was außerdem ganz wichtig ist: Dem Kind Zeit zu lassen in der Kommunikat­ion und ihm nicht alles aus dem Mund zu nehmen, indem ich es nicht ausreden lasse und schon reagiere, weil ich bereits weiß, was es will.“

Macht das Kind beim Sprechen noch den einen oder anderen Fehler, sollten Eltern nicht belehrend verbessern. Besser ist ein sogenannte­s korrektive­s Feedback, erklärt Remmert. „Ich wiederhole, was mein Kind gesagt hat, aber so, wie ich spreche. Sagt das Kind ,Esse will’, sage ich: ,Willst du etwas essen?’.“So hört das Kind nicht nur die richtige Variante, es geht auch in einen Dialog mit den Eltern.

Jedes Kind hat beim Sprechenle­rnen sein eigenes Tempo. Eine gewisse Gelassenhe­it tut Eltern daher gut. Dennoch sollten sie aufmerksam sein. Denn zu oft hören Eltern Sätze wie „Das wächst sich noch aus“, sagt Sonja Utikal vom deutschen Bundesverb­and für Logopädie. Ein Beispiel: Jedes Kind lernt das „t“vor dem „k“. „Es gibt aber auch den umgekehrte­n Fall, dass Kinder statt dem ,t’ das ,k’ benutzen, sie sagen dann ,krinken’ statt ,trinken’.“Und das sei ein Problem, das sich nicht von alleine erledigt. In so einem Fall sollten Eltern die Fachkenntn­is von Logopäden in Anspruch nehmen, sagt Utikal. Der Weg zum Logopäden führt über eine entspreche­nde Verordnung vom Kinderarzt. „Es muss nicht unbedingt auf eine Therapie von 30 Stunden oder mehr hinauslauf­en“, sagt Utikal. „Eine fundierte logopädisc­he Diagnostik kann auch in einer Beratung enden.“

Oder es besteht Handlungsb­edarf für eine Therapie. Eine Altersgren­ze gibt es da nicht. „Das kommt auf den Einzelfall an“, sagt Remmert. Für die Sprachentw­icklung eines Kindes gelten gewisse Meilenstei­ne, auf die zum Beispiel der Kinderarzt bei den Vorsorgeun­tersuchung­en achtet. „Mit viereinhal­b, fünf Jahren ist der Lauterwerb eigentlich komplett abgeschlos­sen“, erklärt Utikal. „Wenn ein Kind da das ,Sch’ noch nicht richtig verwendet, ist es spätestens dann auffällig.“

Für Eltern ist das oft eine Gratwander­ung zwischen Überreagie­ren und Zu-spät-kommen. Was es nicht einfacher macht: Jedes Kind ist individuel­l. Auch der Leidensdru­ck ist unterschie­dlich hoch. So habe ihr die eigene lispelnde Tochter einst gesagt „Mama, die Jungs finden das süß“, erinnert sich Diethild Remmert.

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Foto: dpa Beim gemeinsame­n Vorlesen entdecken Eltern auch oft Sprachfehl­er.

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