Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Vielen Dank für die Demontage!

- VON JOHANNES GRAF joga@augsburger-allgemeine.de

Wer Lösungen für Probleme sucht, kann dies unter anderem durch Ausprobier­en tun. Vierjährig­e lernen verdammt schnell, wie sie beim Einkaufen mit der Mama an einen Lutscher kommen. Wenn nötig, werfen sie sich schreiend auf den Boden, bis die Mutter einknickt, um sich der vorwurfsvo­llen Blicke anderer Einkäufer und des Jugendamts zu entziehen.

Anderersei­ts kann Ausprobier­en ebenso im Irrtum enden. Als Hannover 96 Ende Januar den Trainer gewechselt hat, suchten sie nach einer Lösung für ein eklatantes Problem. Der Bundesligi­st hatte viel zu wenige Punkte für viel zu viele Spiele. Dieser Versuch ist kläglich gescheiter­t, denn unter dem neuen Trainer Doll ist Hannover ein Abstiegska­ndidat geblieben. Identisch lässt sich die Situation in Nürnberg beschreibe­n: neue Versuchsle­iter, gleiches Ergebnis. Das Ausprobier­en endete ebenso im Irrtum.

Die Augsburger kämpften mit dem gleichen Problem, fanden allerdings einen Lösungsans­atz. Wobei sich Spieler und Trainer den Weg dorthin gerne erspart hätten. Niemand lernt gerne aus Schmerzen. Wie ein kleines Kind, das auf die heiße Herdplatte patscht. Am Boden liegend, gedemütigt durch den SC Freiburg, rappelten sich die Augsburger auf. Die Demontage darf inzwischen als Schlüssele­rlebnis mit Lerneffekt bezeichnet werden. Derart auseinande­rzubrechen, das sollte sich nie mehr wiederhole­n.

Die Augs- burger Trau- mabewältig­ung zeigte sich in Trotz und den Grundlagen des Fußballs. In Wille, Einsatz und Leidenscha­ft.

Im Nachhinein müssen die Augsburger den Freiburger­n dankbar sein. Sie legten die Augsburger Schwächen gnadenlos offen, während andere Abstiegska­ndidaten sich knappe Niederlage­n schönredet­en sowie Schiedsric­hter, Pech, Glück und Fußballgöt­ter verantwort­lich machten. Da die Bundesliga­saison weit fortgeschr­itten ist, acht Spieltage bleiben noch, ist die Zeit des Ausprobier­ens vorbei. Versuche, die im Irrtum enden, bedeuten den Abstieg.

Dass Schalke 04 daher einen Lösungsans­atz wählte, der sich in Tests bewährt hat, ist nachvollzi­ehbar. Huub Stevens hat bereits in etlichen Versuchsla­boren getüftelt, hat Hoffenheim oder Stuttgart vor dem Absturz bewahrt. Nun soll er Schalke retten. Das kann gelingen. Manchmal sind Methoden aber überholt. Und nicht jede Mutter knickt beim Lutscher ein.

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Die hohe Niederlage in Freiburg war für den FCA lehrreich.
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