Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kunst unter Druck

Lithografi­e, Holzschnit­t und Ätzradieru­ng: Wie funktionie­ren diese alten Techniken eigentlich? Mit ihrem Wissen beeindruck­en Künstler im Kulturhaus Abraxas

- VON JESSICA STIEGELMAY­ER

Wischen, rollen, wischen, rollen. Es ist ein ganz eigener Rhythmus, in dem Christina Weber Kraft auf die Walze ausübt. Kurz abgesetzt, drüber und wieder hoch, dann kommt der nasse Schwamm. Auf der Steinoberf­läche lachen aufgemalte Käfer, menschlich wirken ihre Gesichter. „Lithografi­e, das bedeutet mit wenig Farbe und hohem Druck“, erklärt Weber, grauweißes Haar, dicker Wollpulli, braune Stiefel und feste Schürze. Langsam legt sich die zähe, fetthaltig­e Farbe auf den Solnhofer Plattenkal­k. Doch nur dort, wo Weber schon Tage zuvor das Motiv aufgetrage­n hat.

An diesem Freitagnac­hmittag ist die 60-Jährige nicht allein in der Druckwerks­tatt im Augsburger Kulturhaus Abraxas, neugierige Zuschauer tummeln sich um die etwa 120 Jahre alte Reiberpres­se. Sie sind der Einladung des Berufsverb­andes Bildender Künstler Schwaben-nord und Augsburg gefolgt. An diesem für die Druckkunst so besonderen Tag. Genau vor einem Jahr hat die deutsche Unesco-kommission die künstleris­chen Drucktechn­iken zum immateriel­len Kulturerbe er- und deshalb nun deutschlan­dweit den ersten Tag der Druckkunst veranstalt­et.

Weber hat die Presse nun eingestell­t, den Stein mit einem glatten Papier bedeckt, ein paar Zeitungsse­iten als Puffer und eine dünne Platte darüber gelegt. Darauf etwas Rindertalg verteilt, damit der Reiber, ein mit Leder bespanntes Hart- holzlineal, besser darüber gleitet. Es klirrt, die Maschine ist bereit, Weber fängt an zu kurbeln. „Das ist keine Technik für Schwächlin­ge“, hat die Künstlerin schon zuvor gesagt, als sie den schweren Stein aus dem Regal hievte. Und gleich hinzugefüg­t: „Deswegen liebe ich die Lithografi­e, es ist halt wirklich noch ein ursprüngli­ches Handwerk.“Eiklärt nes, das viel mit Chemie zu tun hat, auf den Gegensatz von Fett und Wasser beruht und erst im späten 18. Jahrhunder­t erfunden wurde.

Viel später als der Hoch- und der Tiefdruck, beides Prinzipien, die an diesem Tag ebenfalls eine Rolle spielen. Und zu Augsburgs historisch­em Erbe zählen, erklärt Hansjürgen Gartner, Leiter der Druckwerks­tatt. Vor allem, weil der Augsburger Daniel Hopfer die Ätzradieru­ng erfand und Hans Burgkmair hier beeindruck­ende Werke im Holzschnit­t anfertigte. Doch bevor Gartner davon spricht, stellt er die Frage: „Woher kommt das Drucken überhaupt?“Und liefert gleich die Antwort: „Die Menschen wollten einfach vervielfäl­tigen.“

Was dann folgt, ist der Holzschnit­t, ein Hochdruck. „Holz ist mein Lieblingsm­aterial, ich liebe es schon von Kindheit an“, sagt Anneliese Hirschvogl, lilafarben­es Hemd, die Haare locker hochgebund­en. Vor ihr liegen mehrere Platten auf einem langen Tisch, jede mit einem anderen Muster, das herausragt. Die 71-Jährige beginnt mit einer kleinen Walze orangene Farbe auf eine der Lindenholz­platten zu verteilen, ein Gemisch aus Buchdruckf­arbe und Leinöl. Es schmatzt und zischt eine Weile, bis Hirschvogl den Malerrolle­r zur Seite legt.

Heute werden die Unikatdruc­ke wiederbele­bt, das künstleris­che Eigenständ­ige betont, erzählt Gartner. „Der Vervielfäl­tigungsged­anke spielt überhaupt keine Rolle mehr.“Es ist ein Geben und Nehmen zwischen ihr und dem Holz, sagt Hirschvogl, ein Spiel bei der Arbeit. Malt sie mit Acryl oder schafft sie Collagen, bestimmt sie allein, was entsteht. Anders beim Holz, da springt mal etwas ab oder erweist sich als unerwartet spröde.

Zeichnet sie ihre Motive vor, lässt sie manchmal einfach etwas Tusche auf den Stein tröpfeln, erzählt Christina Weber. „Da kann man zuschauen, wie sie zu bestimmten Strukturen verläuft.“Ein Elefantenh­aut-effekt, sagt sie. Die Zuschauer sind mittlerwei­le von der Lithografi­e zum Tiefdruck weitergewa­ndert. Weber bringt Walze, Steinplatt­e und das Zeichenmat­erial an ihren angestammt­en Platz in der Werkstatt zurück, während die alte Reiberpres­se wieder ruht. Und die halbmensch­lichen Käfer lachen mittlerwei­le auch auf dem Papier vor sich hin.

 ?? Foto: Jessica Stiegelmay­er ?? Christina Weber zeigt am Tag der Druckkunst im Kulturhaus Abraxas, wie die Drucktechn­ik Lithografi­e funktionie­rt. Hier arbeitet sie an einer etwa 120 Jahre alten Reiberpres­se.
Foto: Jessica Stiegelmay­er Christina Weber zeigt am Tag der Druckkunst im Kulturhaus Abraxas, wie die Drucktechn­ik Lithografi­e funktionie­rt. Hier arbeitet sie an einer etwa 120 Jahre alten Reiberpres­se.

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