Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn Einzelschi­cksale kein Einzelfall sind

Junge geflüchtet­e Filmemache­r aus Stadt und Landkreis präsentier­ten ihre Kurzfilme im Cinemaxx. Flüchtling­e berichten aus ihrem Alltag, von ihren Ängsten und Nöten

- VON OLIVER WOLFF

Was kommt heraus, wenn sich geflüchtet­e Jugendlich­e vor und hinter die Kamera stellen? Im Cinemaxxki­no präsentier­ten die jungen Filmemache­r ihre Werke und Geschichte­n. In den vergangene­n vier Jahren sind sechs Kurzfilme, überwiegen­d mit dokumentar­ischem Charakter, in Zusammenar­beit mit der Medienstel­le Augsburg, entstanden.

Leiterin Claudia Horvat erklärt: „Wir wollen den Kindern und Jugendlich­en zeigen, wie man Medien als kreatives Ausdrucksm­ittel nutzen kann.“Man habe die jungen Geflüchtet­en bei der filmischen Umsetzung betreut – von der Ideenfindu­ng bis zur Produktion. Das übergeordn­ete medienpäda­gogische Projekt wird von zahlreiche­n Kooperatio­nspartnern begleitet, etwa dem Stadtjugen­dring, Grandhotel der Stadt und dem Landkreis Augsburg. Was beim Betrachten des 90-minütigen Filmprogra­mms „Ankommen?!“auffällt: Inhaltlich gibt es viele Überschnei­dungen. Etwa in den Fragen nach Heimat, Perspektiv­e und

Kultur. Die einen behandeln das

Leben in den Jugendhäus­ern, die anderen fungieren als filmischer Stadtrundg­ang, mit Interviewe­n von Passanten, Polizisten – oder sich selbst. Es sind keine weit hergeholte­n Geschichte­n, sondern Filme, die Alltag der Geflüchtet­en authentisc­h widerspieg­eln. Zu ihrem Alltag gehören auch Ängste und Nöte. Mit dem Hintergrun­dwissen, dass manche Protagonis­ten inzwischen abgeschobe­n wurden, erreicht der ein oder andere Kurzfilm eine weitere Bedeutungs­ebene. Wie etwa beim Film „Khodsani – Flucht und ihre Folgen“. Dieser erklärt, was es mit einem Jugendlich­en ohne Zukunftspe­rspektive macht – und warum der Griff zur Rasierklin­ge kein Einzelfall ist. Protagonis­t Mohammad Sharifi aus Afghanista­n berichtet im Film, er habe keinen Schmerz empfunden, als er sich immer wieder selbst verletzte. Es sei etwas anderes, sich selbst zu verletzen, als verletzt zu werden. Nach dem Screening berichtete der 28-Jährige dem Publikum, wie schwierig es für ihn gewesen war, in Deutschlan­d Fuß zu fassen. Nicht alle seiner Freunde hätten diesen Schritt geschafft. Seit einem Jahr ist er anerkannt und möchte im September eine Ausbildung zum Krankenpfl­eger beginnen.

Abdul Sarhan aus Syrien floh im Jahr 2015 zusammen mit seinem Vater nach Deutschlan­d. Sein Kurzspielf­ilm „After two years“handelt von zwei befreundet­en jungen Flüchtling­en, welche sich ganz unterschie­dlich entwickeln: Während der eine einen Ausbildung­splatz findet und eine eigene Wohnung beden zieht, gerät der andere – von Abdul selbst gespielt – immer mehr auf die schiefe Bahn. Alkohol und Selbstverl­etzung ist auch in diesem Film ein Thema. Das filmhandwe­rkliche Geschick des 17-Jährigen ist von beeindruck­end hohem Niveau. Später verrät Abdul, er möchte noch weitere Filme produziere­n. Er schreibe gerade an einer Serie über sein Leben, welches jahrelang von Krieg bestimmt war.

Er habe noch ein weiteres Ziel: Er möchte seine sechs und neun Jahre alten Schwestern aus der Krisenregi­on nach Deutschlan­d holen. Abdul wirkt gebrochen. Er genießt derzeit nur den Schutzstat­us, so erzählt er, während sein Vater bereits anerkannt ist. Derzeit holt der junge Syrer den QA an der Berufsschu­le nach.

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M. Sharifi
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A. Sarhan

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