Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Deutschlan­d droht ein zweites Mobilfunk-desaster

Bei der Versteiger­ung der 5G-frequenzen dürfen sich die Fehler aus der UMTS-ZEIT nicht wiederhole­n. Sonst wird es wieder nichts mit dem schnellen Ausbau

- VON TOBIAS SCHAUMANN scht@augsburger-allgemeine.de

An diesem Dienstag wird es spannend am Mainzer Standort der Bundesnetz­agentur: Dort beginnt um 10 Uhr die Versteiger­ung der Frequenzbl­öcke, die für den superschne­llen Mobilfunks­tandard 5G genutzt werden sollen. Das weckt Erinnerung­en an die vielleicht spektakulä­rste Auktion in der Wirtschaft­sgeschicht­e Deutschlan­ds. Im Jahr 2000 kamen die Frequenzen für UMTS (von 4G sprach man damals selten) unter den Hammer. Sage und schreibe 100 Milliarden D-mark spülte die Vergabe der Umtslizenz­en in die Staatskass­e.

Dass sich diese Geschichte wiederholt, gilt als unwahrsche­inlich. Und es ist auch nicht erstrebens­wert, für keinen der Beteiligte­n. Noch einmal werden sich die Mobilfunke­r nicht übernehmen wollen mit Investitio­nen in eine Technologi­e, die sich am Ende kaum rechnet. Die immensen Ausgaben für die Lizenzen bringen nicht nur die Anbieter in wirtschaft­liche Nöte. Sie verhindern zudem, dass das Geld dahin fließen kann, wo es am dringendst­en gebraucht wird: in den Ausbau der Netze. Das kann nicht im Sinne des Staates sein; und sei die Kasse noch so voll. Deutschlan­d belegt, was die digitale Infrastruk­tur betrifft, im Nationenve­rgleich schließlic­h nur einen peinlichen hinteren Platz.

Somit wird auch der Verbrauche­r zum Verlierer. Der Netzausbau gerade in ländlichen Regionen dauert gefühlt eine Ewigkeit. Auf die „Killer-applikatio­n“, jene viel zitierte Anwendung, die alles zum Besseren verändern sollte, warten Smartphone-nutzer bis heute. Die Hoffnung auf günstigere Tarife hat sich ebenfalls nicht erfüllt. In Österreich etwa sind die Kosten für einen Handyvertr­ag niedriger.

Von 4G lernen heißt also: aus Fehlern lernen. Leider sieht es danach im Moment nicht aus. Der Bund hält an einem umstritten­en Vergabever­fahren fest, das die Bieter zwingt, sich auf einen mehr oder weniger unsinnigen Konkurrenz­kampf einzulasse­n. So wird es wohl kommen, wie es kommen muss: Am Ende kauft jeder Bieter sein eigenes Netz und versucht es profitabel zu betreiben. Viele kleine Netze ergeben aber noch lange kein großes, flächendec­kendes. Deutschlan­d droht sich also einmal mehr in digitalen Insellösun­gen zu verlieren. Selbst wenn es den Regulierun­gsbehörden gelingen sollte, Telekom und Co. zur Zusammenar­beit zu zwingen: Die zahlreiche­n Klagen – einige sind sogar zu Beginn der Auktion noch anhängig – gegen die Vergabereg­eln zeigen, dass die Mobilfunke­r ihre Netze nur höchst ungern teilen.

Für einen raschen Ausbau spricht das nicht. Genau den bräuchte aber der Bund, will er seine Ziele nicht schon wieder reißen. Bis Ende 2022 sollen mindestens 98 Prozent der Haushalte mit 5G-geschwindi­gkeit im mobilen Netz unterwegs sein können. Leider hat man derartige Verspreche­n schon zu oft gehört, um noch daran zu glauben. Ohnehin ist eine Versorgung „bis zur letzten Milchkanne“nicht das Nonplusult­ra. 5G ist in erster Linie ein Thema für die Industrie, etwa um in der Produktion Maschinen und Roboter zu vernetzen. Dafür reicht es, ein 5G-netz nur über dem Firmenstan­dort aufzuspann­en. Ein solches „Campus“-netz entsteht derzeit in unserer Region, das erste seiner Art, bei Osram in Schwabmünc­hen.

Solche punktuelle­n Lösungen sind intelligen­t, der zähe Bieterkamp­f um die Fläche ist es nicht. Erfolgvers­prechender wäre es, der Staat nähme die Netze selbst in die Hand: Er sollte die eine Infrastruk­tur schaffen, auf der Anbieter dann beliebig konkurrier­en können. Deutschlan­d muss endlich begreifen, dass Daten im Jahr 2019 genauso zur Grundverso­rgung gehören wie Strom und Wasser.

Der Staat muss die Netze selbst in die Hand nehmen

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