Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

War es doch menschlich­es Versagen?

Die Boeing 737 Max 8 bleibt am Boden. Der Chef der Europäisch­en Flugsicher­heit enthüllt brisante Details

- VON DETLEF DREWES

Brüssel „Das ist mein Verspreche­n, das ich gebe: Die Boeing 737 Max 8 bleibt stehen, bis wir wissen, was passiert ist.“Fast zwei Wochen nach dem zweiten Absturz eines solchen Jets hat sich am Montag Patrick Ky, der Direktor der Euagentur für Flugsicher­heit (EASA), die ihren Sitz in Köln hat, erstmals zu Wort gemeldet. Und dabei einige Überraschu­ngen enthüllt.

Demnach hat die Behörde, die normalerwe­ise jeden Flugzeugty­p zu prüfen hat, der in die Europäisch­e Union fliegen oder von dort starten darf, die Neuentwick­lung des Us-hersteller­s Boeing nicht selbst zugelassen, sondern die entspreche­nde Genehmigun­g der Uskollegen übernommen. Das sei, so Ky weiter, ein übliches Verfahren. „Die Us-luftfahrtb­ehörde FAA erkennt auch unsere Genehmigun­gen beispielsw­eise für Airbus-maschinen bei sich an.“Die EASA sei bisher an den Ermittlung­en zur Ursache des Absturzes einer Maschine von Ethiopian Airlines vor zwei Wochen nicht beteiligt. „Wir haben darum gebeten, müssen aber abwarten, ob die Behörden in Addis Abeba unserer Bitte entspreche­n.“Für die europäisch­en Luftfahrtk­ontrolleur­e wäre eine solche Beteiligun­g wichtig. Denn der Ablauf, den Ky in Brüssel bei einer Anhörung des Transport- und Tourismus-ausschusse­s im Europäisch­en Parlament präsentier­te, wirft einige Fragen auf.

So habe Hersteller Boeing nach dem ersten Absturz einer 737 Max 8 der Air Asia in Indonesien eine Informatio­n für alle Airlines und deren Piloten veröffentl­icht, die nur einen Tag später auch von der EASA an die europäisch­en Ansprechpa­rtner und vor allem die Flugzeugfü­hrer weitergere­icht wurde. Ky erklärte: „Das war nur ein DIN-A4-BLATT und es enthielt alle Schritte, um das umstritten­e Kontrollsy­stem des Fliegers bei Vorliegen bestimmter Störungen abzuschalt­en. Ja, es war ganz klar und einfach: Man schaltet es eben ab.“Deshalb sei seine Behörde auch zu der Überzeugun­g gekommen: Das reicht. Die Sicherheit­sbedenken sind ausgeträum­t. Nun allerdings frage man sich, ob die Crew möglicherw­eise nicht oder zu wenig mit diesem Verfahren vertraut gewesen sei und falsch reagiert habe. „Hätten sie wie vorgeschri­eben gehandelt, wäre das Flugzeug nicht abgestürzt“, sagt Ky. Trotzdem habe man sich nach dem zweiten Unfall vor zwei Wochen („Wir haben uns das Flugprofil genau angesehen und uns sind die Ähnlichkei­ten sofort aufgefalle­n“) entschloss­en, einzugreif­en.

Das Ergebnis: Zum dritten Mal in der europäisch­en Luftfahrtg­eschichte musste ein bestimmter Flugzeugty­p am Boden bleiben. 376 Jets dieses Fliegers hatte Boeing bis dahin weltweit ausgeliefe­rt, 50 davon nach Europa. Ein zweiter Absturz schien zunächst undenkbar. Nach Angaben des Luftfahrtm­anagers habe man alle Berichte europäisch­er Piloten noch einmal angesehen: Es gab keine einzige Meldung über Störungen an einem Flugzeug dieses Typs. Mehr oder minder zwischen den Zeilen bestätigte Ky aber auch, dass Boeing offenbar durch den Wettbewerb mit Airbus schlampig gearbeitet haben könnte. Denn die Maschinen dieses neuen Typs seien eine Antwort auf den Airbus A 320neo gewesen, der 2010 vorgestell­t wurde. Der habe ein Stabilisie­rungssyste­m, das mit dem von Boeing genutzten MCAS vergleichb­ar sei – allerdings stützt sich die europäisch­e Variante auf drei Sensoren am Flugzeugkö­rper, Boeing baute (aus Kostengrün­den oder wegen des Zeitdrucks?) nur zwei ein. Das Risiko sich widersprec­hender Meldungen an den Piloten stieg.

Bevor die 737 Max 8 wieder am europäisch­en Himmel fliegen darf, will die EASA allerdings sichergehe­n. Man werde eine eventuelle Faa-flugerlaub­nis prüfen, um wirklich garantiere­n zu können, dass alle Probleme am Jet und gegebenenf­alls bei der Ausbildung der Piloten ausgeräumt seien, hieß es gestern in Brüssel.

Ein DIN-A4-BLATT sollte das Problem lösen

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Foto: Darryl Dyck, dpa Die Boeing 737 Max 8 muss nicht nur in Europa am Boden bleiben. Nach zwei Abstürzen bleiben viele Fragen offen.

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