Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Dann werden Filialen geschlosse­n“

Die Deutsche Bank lotet einen Zusammensc­hluss mit der Commerzban­k aus. Nach Ansicht des Bankenexpe­rten Falko Fecht ist das keine gute Idee

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Herr Professor Fecht, was spricht für die Fusion der Deutschen Bank und der Commerzban­k – und was dagegen?

Professor Falko Fecht: Dafür spricht vielleicht, dass eine fusioniert­e Bank Synergien nutzen könnte, also Filialen schließt und dadurch Kosten spart. Doch dagegen spricht, dass besonders die Deutsche Bank gerade ohnehin riesige Aufgaben bewältigen muss. Diese Baustellen sollte man fertigstel­len, bevor man die nächste Großbauste­lle beginnt. Die Fusion kommt zur Unzeit.

Spd-finanzmini­ster Olaf Scholz wünscht sich einen nationalen „Champion“im Bankensekt­or. Hat er damit unrecht?

Fecht: Ich kann aus volkswirts­chaftliche­r Perspektiv­e nicht erkennen, warum ein nationaler Champion notwendig sein soll. Deutsche Unternehme­n brauchen keine nationale Großbank. Bisher waren die Commerzban­k, die Deutsche Bank und andere Institute dafür ausreichen­d groß. Die große Industrie arbeitet schon jetzt mit internatio­nalen Großbanken. Dieses Argument halte ich für vorgeschob­en. Die Fusion konterkari­ert die europäisch­e Bankenunio­n, die etwa eine gemeinsame Einlagensi­cherung vorsieht. Die Bankenunio­n wurde maßgeblich vom Bundesfina­nzminister­ium vorangetri­eben. Jetzt macht man eine Rolle rückwärts. Im Falle einer erneuten Finanzkris­e wäre ein natio- Champion nicht vorteilhaf­t. Um die Krisenfest­igkeit zu verbessern, müsste man die Integratio­n europäisch­er Banken fortsetzen.

Eine engere Zusammenar­beit europäisch­er Banken wäre also wichtiger als eine Deutsche Commerzban­k?

Fecht: Entweder das, oder man hätte eine internatio­nale Fusion anstreben sollen. Zumindest hätte sich das Ministeriu­m nicht auf eine Lösung festlegen dürfen. Damit hat man das Interesse internatio­naler Banken im Keim erstickt.

Ist die Sorge darüber, dass die Deutsche Bank von einer ausländisc­hen Großbank geschluckt werden könnte, unberechti­gt?

Fecht: Ich bezweifle, dass gerade bayerische Unternehme­n, die mit der Hypoverein­sbank als Geschäftsb­ank zusammenge­arbeitet haben, von der Kreditvers­orgung abgeschnit­ten wurden, als das Institut von der italienisc­hen Unicredit übernommen wurde. Insofern glaube ich nicht, dass eine Übernahme durch eine ausländisc­he Bank zu größeren Verwerfung­en führen würde. Ich hätte mir eine Fusion auf Augenhöhe gewünscht, etwa mit einer französisc­hen Bank. Dann wäre es kein Ausverkauf an eine ausländisc­he Bank, sondern eine Fusion gewesen, bei der eine Eigenständ­igkeit des deutschen Teils fortbestan­den hätte.

Also mit der BNP Paribas?

Fecht: Aktuell wäre die BNP Paribas die erste Alternativ­e, ja. Man muss sich aber die Frage stellen, ob aktuell überhaupt ein geeigneter Zeitpunkt für eine solche Fusion wäre. Die südeuropäi­schen Institute stehen gerade nicht gut da. Würde man einen besseren Zeitpunkt abwarten, gebe es mehrere Möglichkei­ten.

Ist die Hoffnung, eine Deutsche Commerzban­k könnte wieder bei den Großen mitspielen, berechtigt?

Fecht: Beide Banken sind derzeit sehr stark mit sich selbst beschäftig­t. Im Falle einer Fusion wären sie das noch länger. Andere Geschäftsb­anken rennen den deutschen Playern davon, zum Beispiel bei der Digitalisi­erung. Durch die Fusion mit einer anderen europäisch­en Bank hätte man die Herausford­erungen der Branche besser bewältigen können.

Wäre eine Deutsche Commerzban­k „too big to fail“, also zu groß, um sie Pleite gehen lassen zu können? In der Finanzkris­e mussten die Steuerzahl­er deshalb für die milliarden­teure Rettung der Banken aufkommen ...

Fecht: Schon die Deutsche Bank und andere Banken in Deutschlan­d sind „too big to fail“. Die Argumentat­ion, eine fusioniert­e Bank wäre nun erst systemrele­vant, halte ich deshalb für abwegig. Man hat in den vergangene­n Jahren auf europäisch­er Ebene Instrument­e geschafnal­er fen, um mit der „too big to fail“-problemati­k umzugehen, zum Beispiel die höhere Eigenkapit­alquote von Banken.

Die Gewerkscha­ften sprechen von 50000 Stellen, die bei einer Fusion wegfallen könnten. Ist das realistisc­h?

Fecht: Es wird unabwendba­r sein, dass nach einer Fusion Filialen geschlosse­n werden – möglicherw­eise wird man auch auf anderen Ebenen der Bank effiziente­re Strukturen schaffen können.

Wie groß werden die auf Verbrauche­r sein?

Auswirkung­en

Fecht: Ich sehe keine größeren Probleme für Privatkund­en. Die Ausdünnung des Filialnetz­es beobachten wir schon lange. Sie wird weiter fortschrei­ten, unabhängig von einer Fusion, weil Filialen von Privatkund­en weniger genutzt werden und ihre Notwendigk­eit verlieren. Möglicherw­eise beschleuni­gt sie sie. Mittelstän­dische Unternehme­n könnten die Fusion zu spüren bekommen. Hier weiß man aus Studien, dass der persönlich­e Kontakt und die Nähe zum Kreditents­cheider wichtig sind.

Interview: Philipp Wehrmann

ist Professor für Finanzwirt­schaft an der Frankfurt School of Finance and Management und Forscher der Bundesbank.

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Falko Fecht

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