Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kino ist auch etwas fürs Theater

Trend Bühnen finden zunehmend Gefallen an Filmstoffe­n. Das hat auch mit dem Wandel des Publikums zu tun

- Julia Kilian, dpa

Berlin Selbst auf der Theaterbüh­ne agieren wollte Kate Winslet zuletzt zwar nicht, aber zumindest eine ihrer Rollen hat den Schritt längst getan. Im Film „Zeiten des Aufruhrs“zerbrach Winslet als April Wheeler auf der Kinoleinwa­nd am Leben in einem Us-vorort der 1950er Jahre. Gut zehn Jahre später ist der Stoff jetzt wieder zu sehen. Diesmal auf der Bühne des Deutschen Theaters in Berlin.

Immer wieder finden sich Romane oder Filme im Theater wieder. Die Berliner Kudammbühn­en zum Beispiel zeigen erstmals „Monsieur Pierre geht online“nach der französisc­hen Filmkomödi­e. Und Dieter Hallervord­ens Schlosspar­k Theater hat „Honig im Kopf“von Til Schweiger umgesetzt. Selbst die

New York Times stellte zuletzt fest, dass sich deutsche Theaterreg­isseure öfter Inspiratio­n bei Filmen suchen, gerne älteren Datums. Die Zeitung nennt zum Beispiel „Die Verdammten“am Berliner Ensemble, nach dem Film von Luchino Visconti aus dem Jahr 1969. Oder „Persona“am Deutschen Theater nach dem Film von Ingmar Bergman.

„Persona“ist auch zum diesjährig­en Berliner Theatertre­ffen eingeladen, als eine der „zehn bemerkensw­ertesten“Inszenieru­ngen aus dem deutschspr­achigen Raum. Aus Sicht von Festivalle­iterin Yvonne Büdenhölze­r ist es kein neues Phänomen, dass Theater Stoffe aus Romanen oder eben Filmen umsetzen. Man spricht von Adaptionen. Der Roman „Hiob“von Joseph Roth aus den 1930er Jahren sei etwa schon wenig später in Paris auf die Bühne gekommen. „Aber natürlich gibt es auch aktuell Beispiele“– bundesweit setzten etwa etliche Theater auf „Ziemlich beste Freunde“.

Büdenhölze­r sieht mehrere Gründe dafür, warum Theater auch Romane und Filme auf die Bühne bringen. Zum einen gebe es in Deutschlan­d eine vielseitig­e Theaterlan­dschaft. „Da möchte man sich auch gar nicht so doppeln“, sagt Büdenhölze­r. Die Theater suchten eine inhaltlich­e, formale und ästhetisch­e Bandbreite. Es würden auch dokumentar­ische Inhalte genutzt – so seien zum Beispiel schon der Atlas oder das Telefonbuc­h für die Bühne umgesetzt worden. „Die Theater sind da unglaublic­h kreativ“, weißt Büdenhölze­r. „Und natürlich hat das auch damit zu tun, dass man Stoffe oder Titel sucht, die das Publikum kennt.“Zudem wolle man auch jüngere Zuschauer ansprechen, die das klassische Drama vielleicht eher abschrecke­nd fänden. „Und es ist natürlich auch künstleris­ch interessan­t, wie man ein bewegtes Bild auf die Bühne überträgt.“

Auch Regisseur Folke Braband findet das spannend. Allerdings muss es für ihn einen guten Grund geben, um einen Film zum Theaterstü­ck zu machen. Bei manchen Stücken denke er, sie seien nur ein Abklatsch. „Man darf jetzt nicht nur den Film abschreibe­n oder das beste aus dem Film rausnehmen. Sondern es muss ein ganz eigenes Kunstprodu­kt sein“, sagt Braband, der nun „Monsieur Pierre geht online“an den Kudammbühn­en in Berlin auf die Bühne bringt.

Dass Filme erfolgreic­hen Bühnenstof­f liefern, haben vor allem die Musicalbüh­nen perfektion­iert. In Hamburg läuft seit vielen Jahren „Der König der Löwen“, im Herbst kommt dort mit „Pretty Woman“einer der bekanntest­en Liebesfilm­e der 90er auf die Bühne. In München läuft „Die fabelhafte Welt der Amélie“. Anderersei­ts: Das Musical zu „Fack ju Göhte“wurde vorzeitig eingestell­t.

Aber ist das Risiko nicht höher, dass die Zuschauer enttäuscht sind, wenn sie die Vorlage schon kennen? Das könne einem immer passieren, sagt Festivalle­iterin Büdenhölze­r. Aber das gelte auch für einen Klassiker wie „Faust“, wenn man die Inszenieru­ng eines radikalen Regiekünst­lers sehe. „Enttäuschu­ngen können in jede Richtung stattfinde­n.“Adaptionen von Filmstoffe­n könnten aber auch eine Horizonter­weiterung sein.

 ?? Foto: Christoph Soeder, dpa ?? „Zeiten des Aufruhrs“– nur nicht als Film, sondern als Stoff eines Bühnenstüc­ks am Deutschen Theater Berlin.
Foto: Christoph Soeder, dpa „Zeiten des Aufruhrs“– nur nicht als Film, sondern als Stoff eines Bühnenstüc­ks am Deutschen Theater Berlin.

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