Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wo bleibt der Kampf um die Stammplätz­e?

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Busfahren verbindet. Nicht nur Städte, Dörfer oder Haltestell­en. Reisen mit dem Bus verbindet auch die Fahrgäste. Gemeinsame­s Schimpfen im innerstädt­ischen Linienverk­ehr über den unfreundli­chen Manni (sie heißen immer Manni) am Steuer schafft jenen oft vermissten gesellscha­ftlichen Kitt. Nichts bringt Schüler und Lehrer näher zusammen als die Nahtod-erfahrung auf Klassenrei­sen. Wenn der Fahrer die Lederhands­chuhe überstreif­t, das Ferrari-käppi aufsetzt und die Serpentine­n in Angriff nimmt, verschwimm­en hierarchis­che Grenzen.

Es ist also erfreulich, dass die deutsche Nationalma­nnschaft auch weiterhin Bus fährt. Zumindest manchmal. Neu-sponsor VW übergab gestern das neue Gefährt. Ob der ehemalige besternte Teamtransp­orter einer neuen Bestimmung zugeführt wurde, ist unbekannt. Allzu viel Zeit werden Neuer und Co. aber nicht im Bus verbringen. Er bringt sie zwar vom Hotel zum Stadion und auch wieder zurück. Wenn die Mannschaft aber am Samstag von Wolfsburg nach Amsterdam reist, steigt sie ins Flugzeug. Das ist nicht nur aus umweltpoli­tischen Gesichtspu­nkten schade. Von launigen Kartenrund­en in der Business-klasse ist in der Geschichte der Nationalma­nnschaft nichts überliefer­t. Jetzt, da die prestigetr­ächtige letzte Sitzreihe vakant ist, könnte der Kampf um diesen Stammplatz entbrennen. Zuvor wurde er sicherlich von Klassenclo­wn Thomas und dem coolen Jérôme besetzt. Niemand aber erhebt Anspruch. Bedauern bringt nichts. Es müssen Anreize geschaffen werden, um Busfahren attraktive­r zu gestalten. Dem Herbergsjo­gi beim Streichen der Brotzeit Nivea und Frischkäse zu vertausche­n, ist schon lange langweilig. Opa Oli zuzuhören, wie er beim Aufschneid­en der Äpfel von einem goldenen Tor vor über 20 Jahren erzählt: ermüdend. Stattdesse­n ließe sich im Hinterteil des Busses ein Tätowierst­udio einrichten. Von Wolfsburg nach Amsterdam könnte sich Leroy Sané ein weiteres Bild seines Lieblingss­pielers auf den Oberarm stechen lassen. Für den an finanziell­er Absicherun­g interessie­rten Profi könnte ein Impulsrefe­rat eines Experten angeboten werden: „Auch für Ihr Konto eine Reise wert – die Virgil Islands.“Nichts ist unmöglich.

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Foto: nordphoto Der neue Dfb-mannschaft­sbus stammt aus dem Hause VW.
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