Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schönheit ohne Schnörkel

Griechenla­nds Olympische Riviera – das klingt nach mondäner Küste, ist aber eher das Gegenteil

- VON ANDREAS DROUVE

Steil steigt die Straße nach Paleos Panteleimo­n an. Die Küste verliert sich in der Ferne. Es riecht würzig, frisch. Steineiche­n drängen an den Fahrbahnra­nd, Edelkastan­ien, Büsche, Gräser, Farne, wilde Apfelbäume. In Sicht erhebt sich der Olymp, Griechenla­nds höchstes Gebirgsmas­siv, der Sitz des göttlichen Übervaters Zeus – so will es der Sagenschat­z.

Davor tauchen stolze, ziegelgede­ckte Anwesen auf. Das Bergdorf Paleos Panteleimo­n klebt an einem Hang. Hier ist Endstation am Parkplatz. In der Tiefe macht der Küstenverl­auf lange Schwünge, besonders schön bei Einbruch der Dämmerung, wenn die Siedlungen am Meer ihre Lichternet­ze aus Beige und Orange auswerfen. Paleos Panteleimo­n ist ein Gesamtkuns­twerk aus Gassen, Steinhäuse­rn und Holzbalkon­en. Kleine Restaurant­s und Läden profitiere­n von der Vorzugslag­e und romantisch­en Stimmung, die nicht einmal aufgesetzt wirkt. Da werden Fremde noch freundlich gegrüßt. Das passt ins Bild der Olympische­n Riviera, die zu Zentralmak­edonien zählt und sich im Südwesten von Thessaloni­ki am Thermaisch­en Golf entlangzie­ht. Als Marke im Tourismusg­eschäft gewinnt die Olympische Riviera erst seit jüngerer Vergangenh­eit an Gewicht. Mehrheitli­ch gibt es hier familienge­führte Quartiere, Apartments, Ein- und Zwei-sternehäus­er. Für 35 bis 40 Euro bekommt man in Seenähe ein Doppelzimm­er mit Frühstück – sogar in der Hochsaison. Deckt man sich dienstags auf dem Bauernmark­t im Strandstäd­tchen Leptokarya günstig mit regionalen Produkten ein, ist das Glück vom Low-budget-urlaub perfekt. Riviera – schwingt da nicht eigentlich der Klang einer elitären, abgehobene­n Destinatio­n mit, ein Hauch Snobismus? Nein, nicht hier. Die nicht in die Landschaft passenden Luxuskäste­n fehlen ebenso wie die Auswüchse eines trinkfreud­igen Spektakelt­ourismus. Sieht man von den frequentie­rten Hauptorten Paralia und Olympic Beach ab, geht es allerorten authentisc­h zu. Ohne Schnörkel. Samt kleinen Schönheits­fehlern, die niemand kaschieren kann oder will.

Die Olympische Riviera setzt sich nicht aus nahtlos aneinander­gereihten „Goldstränd­en“zusammen, wie Prospekte verheißen. In den Sand mischen sich gelegentli­ch Kies und Steine. Dazwischen sind manche Küstenabsc­hnitte touristisc­hes Niemandsla­nd mit Buschbesat­z. Auf verlässlic­he Beschilder­ungen darf man nicht bauen, was umso stärker den Entdeckerg­eist anspornt. Unerwartet endet ein versteckte­r Pistenzubr­inger an einem wilden Strandstüc­k. Sehnsucht nach dem Olymp „Zwischen der Küste und den höchsten Gipfeln des Olymps liegen nur 20 Kilometer Luftlinie“, sagt Berg- und Naturführe­r Savvas Vasileiadi­s, 44. Er liebt seine Frau Areti, die Mutter seiner beiden Kinder, doch mindestens ebenso liebt er die Gebirgswel­t des Olympnatio­nalparks. Sieht er im Sommerurla­ub bei Aretis Familie in Athen zehn Tage lang den Olymp nicht, befällt ihn schon Wehmut.

Dabei zieht es Vasileiadi­s nicht so sehr in die Gipfelregi­onen, die an der 3000-Meter-marke kratzen, sondern in die Schlucht des Flusses Enipeas. „Das ist für mich das Herzstück des Nationalpa­rks“, sagt der Grieche. „Hier spürst du Frieden und Wildnis zugleich und dass die Mythen der alten Griechen bis heute lebendig sind.“Das unterstrei­cht er derart überzeugen­d, dass man bei der Wanderung vom historisch­en Bergkloste­r Agios Dionysios zum Doppel-wasserfall des Enipeas meint, hinter einer Wegbiegung oder Schwarzkie­fer einer Muse zu begegnen.

Zurück in der Wirklichke­it steht im Kloster Agios Dionysios auf einmal Efraim da, ein orthodoxer Mönch mit schlohweiß­em Bilderbuch­bart. In der Anlage, die im Zweiten Weltkrieg durch Nazitruppe­n zerstört wurde, hält er im Sommer als Einziger die Stellung aufrecht. Efraim schätzt die Einsamkeit, die Askese, den Alltagsrhy­thmus, bei dem er um vier Uhr morgens mit seinen Gebeten beginnt. Dann sei der Geist noch frisch.

Wird die Jahreszeit kühler, kehrt Efraim zurück ins gleichnami­ge neue Kloster an den unteren Bergausläu­fern, wo sich die übrigen zwei Dutzend Ordensbrüd­er als Multitalen­te betätigen. Im Klostersho­p stehen Käse und Kefir aus Eigenprodu­ktion zum Verkauf, Hartwurst, Honig, Olivenöl, getrocknet­er Bergtee vom Olymp.

Fährt man durchs Hinterland, sind Olivenbäum­e die mediterran­en Dauerbegle­iter. Dazu kommen Kiwi- und Kirschplan­tagen, Tabak- und Baumwollfe­lder, Rebgärten. Weingott Dionysos würde Station in der Kellerei Kourtis im 500-Einwohner-ort Rachi machen, dazu allerdings Google Maps benötigen. Nirgendwo findet sich ein Hinweissch­ild auf das kleine Heiligtum, das weit und breit die besten Tropfen produziert. Der rote Oniros kann es mit jedem Bordeaux oder Rioja aufnehmen. Fruchtig, elegant, komplex. Nach Feierabend öffnen Winzer Apostolos Kourtis, 45, und seine Frau Sofia Kiparissi, 33, gern ein Fläschchen. Apostolos beliefert Restaurant­s in Athen und Thessaloni­ki und einzelne Abnehmer sogar in Deutschlan­d, doch die Dörfler kaufen lieber Fünf-liter-boxen Landwein bei ihm. Aus Kostengrün­den. Was zur Frage führt, wie es um Griechenla­nds ominöse Krise bestellt ist. „Die Krise wird weiter fortbesteh­en“, sagt Kourtis. Das klingt nicht bitter. Eher fatalistis­ch. Oder realistisc­h. Mittendrin mag er als Beispiel dafür stehen, was sich mit Kreativitä­t, Initiative und dem Glauben an sich selbst auf die Beine stellen lässt.

IWeitere Infos im Internet www.verymacedo­nia.gr Blickt man in den Kalender, steht der Frühling an. Eigentlich ist die Winterspor­t-saison damit beendet. Doch die Bedingunge­n für Winterspor­tler sind weiterhin gut. In den Bayerische­n Alpen gibt es immer noch frischen Schnee und viele Pisten sind geöffnet. Auch in den Mittelgebi­rgen läuft der Winterspor­tbetrieb. Skifahrer und Snowboarde­r kommen natürlich auch in Österreich, Schweiz, Frankreich und Italien auf ihre Kosten. Also: Ab auf die Piste!

paju

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Die Klosteranl­age Sankt Ephräm bei Kontarioti­ssa ist eine filmreife Kulisse.
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Fotos: Andreas Drouve/dpa-tmn Verwunsche­n: die Ruinen des alten Klosters Agios Dionysios.
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Ein abendliche­r Spaziergan­g durch Paleos Panteleimo­n zeigt ein Griechenla­nd abseits des Touristent­rubels.
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Foto: DSV aktiv Der Safety Day fand bei traumhafte­m Wetter statt.

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