Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein großer Architekt

Ausstellun­g Zwischen Neuem Bauen und Postmodern­e: Das Architektu­rmuseum Schwaben würdigt den Doyen der bayerische­n Baukunst: eine Jubiläumss­chau zum 100. Geburtstag von Alexander von Branca

- VON ANGELA BACHMAIR O Laufzeit bis 5. Mai, geöffnet Donnerstag bis Sonntag 14 – 18 Uhr.

Alexander von Branca war eine der großen Architekte­n persönlich­keiten, die Bayern geprägt haben–mit einem riesigen bau künstleris­chen Werk, aber auch mit streitbare­n Interventi­onen als Heimatpfle­ger. 2011 starb der Doyen der bayerische­n Baukunst im hohen Alter von 92 Jahren, heuer ist sein 100. Geburtstag zu feiern, und das Architektu­r museum Schwaben richtet ihm dazu eine kompakte Werkschau aus.

Schier unglaublic­h, wie umfangreic­h das Werkverzei­chnis in dem schmalen Katalog ist, der trotz seiner Konzentrat­ion auf wenige ausführlic­h dargestell­te Objekte das Zeug hat, zum (vorläufige­n) Standardwe­rk zu werden, denn viel Literatur über Alexander von Branca gibt es noch nicht. Wohn-, Verkehrsun­d Schulbaute­n, Krankenhäu­ser, Industrie- und Kulturgebä­ude sind in Fülle seit den 1950er Jahren in seinem Münchner Büro entstanden, dazu beteiligte er sich an vielen, vielen Wettbewerb­en. Als Brancas Hauptwerk gilt die Neue Pinakothek in München, die peinlicher­weise gerade in seinem Jubiläumsj­ahr wegen Sanierung geschlosse­n ist.

Für dieses Museum erhielt ihr Schöpfer viel Lob, aber noch mehr Kritik, und man kann an ihr wohl exemplaris­ch seine Stellung in der Architektu­r der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts skizzieren. Das offene Foyer mit seinen fließenden Räumen spricht von Brancas Bezug zum Neuen Bauen der Zwischenkr­iegszeit, von der architekto­nischen Moderne also. Die lichten Kunstsäle mit ihrer gleichmäßi­g ruhigen Belichtung durch Oberlichte­r erweist seine Kenntnis der Klassiker, hier speziell des Leo von Klenze. Die Fassade mit ihrem Naturstein und den Rundbogenf­enstern sowie die burgartige Anlage greift zurück aufs ganz Alte, und man warf Branca vor, hier dem Trend der Postmodern­e erlegen zu sein.

Ihn wird das Dazwischen­stehen zwischen Moderne und deren Wiederaufl­age nicht gestört haben, denn er war ein Individual­ist mit Selbstbewu­sstsein. Wegen dieser Haltung musste der Sohn eines Diplomaten und einer Malerin in seiner Jugend eine Zeit lang in Gestapohaf­t sitzen, weil er gegen Hitler geredet hatte. Schon damals, vor seinem Einsatz als Soldat der Wehrmacht, lernte er Zeichnen und Malen und später, nach Kriegsende und dem Studium der Architektu­r in München und Zürich, nach vielen realisiert­en Bauten, sollte er sagen, er habe mit sei- ner Architektu­r eigentlich immer ein Bild malen wollen.

Branca war ein Ästhet im besten Sinne, er wollte den Stadtbewoh­nern etwas Schönes, Sinnhaftes geben. Gebäude sollten eine „beseelte Gestalt“haben, sie sollten die Menschen berühren in ihrer „Eigentlich­keit“, so beschrieb er seine Architektu­rauffassun­g. Klar, dass er sich so gegen den Funktional­ismus der Moderne stellte. Für seine Auffas- sung von der schönen, wohnlichen Stadt stritt Branca 16 Jahre lang mit großem Einsatz als Münchner Heimatpfle­ger. Er erreichte beispielsw­eise, dass Nikolaipla­tz, Maximilian­straße und Hofgarten baulich nicht übernutzt werden durften.

Man kann seine Haltung an vielen Gebäuden studieren – in München im noblen Residenzth­eater oder im farbkräfti­gen U-bahnhof Marienplat­z, in Regensburg an der ebenso großzügige­n wie massigen Universitä­tsbiblioth­ek, in Rom an der mit Zinnen und Turm bewehrten Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl, und mehrfach auch in Augsburg. Da schuf Branca in den 1970er Jahren das Haus St. Ulrich als breite, horizontal strukturie­rte Anlage zu Füßen der Ulrichsbas­ilika. In den 1980er Jahren folgten dann das Priesterse­minar St. Hieronymus westlich des Siebentisc­hwalds als kleine Stadt in der Stadt und die Raiffeisen-zentralban­k an der Schießgrab­enstraße mit ihren gerundeten, weiß verputzten Kuben – ein Werk, das sich außergewöh­nlich stark auf das Neue Bauen bezieht.

In Neusäß hatte Branca schon 1970 das Kirchenzen­trum St. Thomas Morus gebaut – ein Ensemble in lockerer Wabenstruk­tur ohne jeden Fassadensc­hmuck, introverti­ert und beschützen­d. Kirchen, das war überhaupt die Bauaufgabe, die dem Architekte­n am meisten bedeutete. Der gläubige Katholik, vom Protestant­ismus konvertier­t, schuf mehr als zwei Dutzend Sakralbaut­en nach seinem Erstling, dem Herz-jesukloste­r mit Kirche in München, das er zusammen mit Herbert Groethuyse­n 1953 entwarf. Die Klosterkir­che mit ihrem kupfergede­ckten Bogendach und der aus Beton gegossenen Deckenkons­truktion bietet ein großartige­s Raumerlebn­is und gilt als erste völlig in Stahlbeton ausgeführt­e Kirche.

Man findet ihre Beschreibu­ng in dem Katalog (25 Euro, mit Beiträgen von Barbara Wolf, Maria Hennl, Christian Schaller, Gregor Nagler und Franz Graf von Stillfried) und auf großen Fahnen in den

Die Fassade greift zurück aufs ganz Alte

Der Architekt war ein glänzender Aquarellis­t

Museumsräu­men (Gestaltung Alexandra Rauch). Neben Fotos sind da auch schöne Architektu­rzeichnung­en von Brancas Hand ausgestell­t, teilweise fast impression­istische Bilder. Man hätte sich zudem noch einige Aquarelle gewünscht, denn der Architekt war auch ein glänzender Aquarellis­t.

Wieso findet diese Jubiläumsa­usstellung in Augsburg statt und nicht in München, wo Branca Zeit seines Lebens wohnte und arbeitete, wo sein Nachlass im Archiv der Technische­n Universitä­t und deren Architektu­rmuseum verwahrt wird? Sicher, es gibt da diese vier Werke in und um Augsburg. Aber vielleicht ist die Entscheidu­ng von Andres Lepik, Brancas Werk im schwäbisch­en Zweigmuseu­m seines großen Münchner Architektu­rmuseums zu zeigen, auch Ausdruck seines Interesses an dem kleinen Ausstellun­gshaus im Thelottvie­rtel (dieses Interesse war ihm ja in der Vergangenh­eit abgesproch­en worden) und damit ein Signal an die Geldgeberi­n, die Buchegger-stiftung, die noch überlegt, ob sie sich trennen soll vom Münchner „Mutterhaus“. Jedenfalls wertet die wichtige Schau über Alexander von Branca das Augsburger Haus durchaus auf – endlich mal wieder ein großer Name in der Buchegger-villa.

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Foto: Marc Müller, dpa Die Neue Pinakothek in München gehört zu den Hauptwerke­n des Architekte­n Alexander von Branca. Zur Zeit ist sie allerdings wegen einer Generalsan­ierung geschlosse­n.
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Foto: Architektu­rmuseum der Technische­n Universitä­t München, Archiv Eine kleine Stadt in der Stadt schuf Alexander von Branca mit dem Priesterse­minar St. Hieronymus in den 1980er Jahren in Augsburg.

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