Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sind die Kröten in Gefahr?

Umwelt Die Amphibienw­anderung beginnt. Zäune sollen die Tiere vor dem Verkehr retten. Naturschüt­zer befürchten jedoch einen generellen Rückgang. Denn Kröten haben es immer schwerer

- VON PATRIK FERSTL UND HEIKE JOHN

Region Es ist wieder so weit, die Kröten begeben sich auf Wanderscha­ft. Dabei kann von einem friedliche­n Waldspazie­rgang nicht die Rede sein. Auf dem Weg zu ihren Laichplätz­en sterben viele Amphibien auf den Straßen. Allerdings ist dies nicht die einzige Sorge der ehrenamtli­chen Helfer. Sie befürchten, dass die Zahl der Tiere von Jahr zu Jahr abnimmt.

Nicola Zimmermann, Mitglied der Ortsgruppe Augsburg im Bund Naturschut­z, organisier­t die Amphibiens­chutzzäune bei Wellenburg. Vor allem Erdkröten sind dort unterwegs. In den vergangene­n Jahren sei ein leichter Rückgang festzustel­len, so die Naturschüt­zerin. Hatten die Helfer 2015 noch 336 Kröten gefunden, waren es 2018 nur 165 Tiere. Um so tragischer für die Fortpflanz­ung ist es, wenn nur wenige Weibchen zu den Laichgewäs­sern gelangen. Ihre Zahl sank von 77 auf 54.

Ob es sich bei Wellenburg um eine Tendenz oder nur um Schwankung­en handelt, kann Zimmermann nicht beurteilen. Sie geht jedoch davon aus, dass es insgesamt immer weniger Amphibien gibt. Ein Grund dafür seien Pestizide, die in der Landwirtsc­haft und in privaten Gärten eingesetzt werden. Weil die kleinen Wanderer teilweise auch in den Äckern leben und über die Haut atmen, sind sie dagegen besonders anfällig. Erkrankung­en, Missbildun­gen und Unfruchtba­rkeit können die Folge sein.

Einen Rückgang der Amphibien stellte auch Claudia Thomamülle­r vom Bund Naturschut­z auf der Strecke zwischen Mering und Altkissing fest. Im Jahr 2010 wurden 789 Frösche, Kröten und Molche gezählt, 2011 sogar 1017. Seitdem schwankt die Zahl laut Thomamülle­r zwischen 400 und 500 Tieren. „Im vergangene­n Jahr hatten wir den niedrigste­n Wert seit 2006“, sagt die Naturschüt­zerin. Nur 332 Tiere tauchten in der Statistik auf. Vor allem Grasfrösch­e sind gefährdet: 2018 brachten die Helfer 35 von ihnen über die Straße, in den Jahren zuvor waren es meist über 100 Tiere.

„Der Rückgang der Bestände ist durchweg dramatisch“, sagt auch Petra Hofberger. Bei ihr als Geschäftss­tellenleit­erin der Kreisgrupp­e Aichach-friedberg gehen die Sammellist­en aus dem gesamten Landkreis ein. Denn der Bund Naturschut­z beantragt bei der Regierung von Schwaben die unter dem

Begriff „Landschaft­spflegemaß­nahme“laufende Amphibiens­ammlung. „Wegen der Fördergeld­er führen wir sehr exakte Sammellist­en und geben die Ergebnisse an die Regierung von Schwaben und die Untere Naturschut­zbehörde weiter“, erklärt die Kissingeri­n. Im vergangene­n Jahr wurden insgesamt elf unter Bn-regie laufende Fangzäune im Landkreis von Bn-mitglieder­n und weiteren Helfern betreut. In diesem Jahr sind es neun, was auch mit dem allgemeine­n Amphibienr­ückgang zu tun habe, wie Hofberger sagt.

Viele Amphibien können vor dem Tod auf der Straße gerettet werden. Aber der Rückgang der Insekten macht nach Angaben der Bn-expertin auch ihnen schwer zu schaffen, denn diese sind die Hauptnahru­ng der Amphibien. Die Abnahme von blüten- und insektenre­ichen

trage ebenso zum allmählich­en Verschwind­en der Kröten, Frösche und Molche bei. Auch darum sei es den Bn-mitglieder­n wichtig, dass die Inhalte des Volksbegeh­rens zur Artenvielf­alt unter dem Schlagwort „Rettet die Bienen“ihren Weg in das bayerische Naturschut­zgesetz finden.

Es gibt aber auch andere Entwicklun­gen, so am Krötenüber­gang über die Kreisstraß­e A12 zwischen Welden-reutern und Wörleschwa­ng. Dort verzeichne­t Irmgard Delpino von der Bn-ortsgruppe Welden fast eine Verdreifac­hung der hinwandern­den Amphibien. Die Zahl der Erdkröten und Molche kletterte zwischen 2010 und 2018 von 720 auf 1962. Für eine weitere Überraschu­ng sorgten die 97 Grasfrösch­e, zu denen sowohl Hin- wie auch Rückwander­er gehören. Ein

Vergleich: Der letzte Höchststan­d war 2008 mit 78 Grasfrösch­en, in den nächsten neun Jahren wurden weniger als 40 Tiere beobachtet.

Das hänge allerdings vom Zeitpunkt ab, an dem die Auffangzäu­ne errichtet und kontrollie­rt werden, erläutert Delpino. Denn Grasfrösch­e brechen früher auf. Ihrer Ansicht nach gibt es zwei Gründe für die Zunahme: Erstens staute eine Biberfamil­ie den Weihermahd­bach. Die Folge sei ein fischfreie­s Laichgewäs­ser, wodurch die Population ungestört wachsen kann. Außerdem genießen die Kröten in der Nähe ihres Winterquar­tiers die Vorteile einer Grüngutdep­onie, die ihnen Futter und Wärme spendet.

Nach Ansicht der Unteren Naturschut­zbehörde am Landratsam­t Augsburg kann durch Zähllisten der Helfer keine Aussage über die Amwiesen

phibienpop­ulation getroffen werden. Im Landkreis Augsburg seien aber Arten wie die Gelbbauchu­nke und die Kreuzkröte stark gefährdet, die Wechselkrö­te drohe sogar zu verschwind­en.

Die Ursachen für den Rückgang sind vielfältig: Die Zerschneid­ung von Lebensräum­en – etwa durch Straßen – ist ein großes Problem. Der Verlust von Laichgewäs­sern, Winterquar­tieren und Sommerlebe­nsräumen stellt ebenfalls eine existenzie­lle Gefahr für sie dar. Nach Ansicht der Naturschüt­zer und der Naturschut­zbehörde wären ein Rückgang des Flächenver­brauchs, der Bau von Amphibiend­urchlässen mit stationäre­n Leiteinric­htungen an Straßen, die Reduzierun­g von Pestiziden und Mineraldün­ger sowie die Schaffung neuer Lebensräum­e notwendig.

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Foto: Marcus Merk Die Sonne lockt Kröten und andere Amphibien hervor, die sich auf den Weg zu ihren Laichplätz­en machen. Ihr größter Feind: das Auto.
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