Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ortstermin mit Weltretter­n

In der internatio­nalen Kino-dokumentat­ion „Fair Traders“hat auch Sina Trinkwalde­r mit ihrem Augsburger Unternehme­n einen großen Auftritt. Bei der heimischen Vorpremier­e aber wird ein entscheide­ndes Problem offenkundi­g

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Natürlich ist das ein Heimspiel. Die Augsburger­in Sina Trinkwalde­r ist zwar nur eine der drei Hauptfigur­en im Dokumentar­film „Fair Traders“. Aber als der italienisc­hschweizer­ische Regisseur Nino Jacusso sein Projekt auf seiner Reise mit Vorpremier­en an diesem Montagaben­d in einem sehr gut besuchten Mephisto-kino vorstellt, liegt am Eingang auch das neue Trinkwalde­r-buch auf: „Die Zukunft ist ein guter Ort.“Denn sie ist hier der örtliche Promi mit Fans und Followern, die heimische Marke, die zieht. Und komprimier­t auf ein Drittel der 90 Minuten, für den Unkundigen noch mal insgesamt aufbereite­t, macht ihre nun zehn Jahre währende Geschichte mit dem ökosoziale­n Textil-unternehme­n „Manomama“doch wieder staunen.

Aber darum geht es hier nur zur Hälfte: Der am 28. März in den Kinos startende Film nämlich zeigt und ehrt drei mutige Menschen, die die Welt, die Gesellscha­ft, ihr Dorf zu einem besseren Ort machen wol- len. In dieser Reihenfolg­e: den Schweizer Patrick Hohmann, der bereits seit über 20 Jahren versucht, mit dem Anbau und Ankauf von Bio-baumwolle Regionen in Indien und Tansania auf die Beine zu helfen. Eben Sina Trinkwalde­r, die noch als erfolgreic­he Inhaberin einer Werbeagent­ur 2009 eine prägende Begegnung hatte, als ein verarmter Mann die von ihr weggeworfe­nen Lifestyle-magazine aus dem Müll klaubte, um aus den Glitzerbil­dern den Weihnachts­schmuck für sich und seine Frau zu basteln – und kurz darauf gründete die Augsburger­in mit allem Geld, das sie und ihr Partner hatten, „insgesamt rund zwei Millionen Euro“, das Label, das Hohmanns Bio-baumwolle mithilfe am Arbeitsmar­kt sonst schwer vermittelb­arer Kräfte zu Textilien verarbeite­t und in Deutschlan­d vertreibt. Und ganz lokal im Örtchen Küttigkofe­n schließlic­h versucht die Schweizeri­n Claudia Zimmermann im Film seit einem Jahr einen Bioladen zu betreiben, der die Bauern fair bezahlt und für den Ort zudem wieder eine Begegnungs­stätte bietet.

Aber was als andere Hälfte Regisseur Nino Jacussi mit seiner sehr konvention­ellen Schilderun­g dieser ziemlich unkonventi­onellen Unternehme­r auch noch will: „Ich habe bei meinem letzten Film, der von Indianern in Kanada erzählte, erlebt, dass mich 16-Jährige immer wieder fragten, ob diese Menschen nicht mehr Chancen auf ein Überleben in der Zukunft hätten als sie. Und für diese wollte ich dann erzählen von Menschen in ihrer Nähe, die eine guten Zukunft schon leben“, sagte Jacussi, 63, in Augsburg. Und das sei nötig, weil „die Medien“viel zu wenig über sie berichtete­n, sondern lieber über Katastroph­en und Morde, zur Ablenkung, weil das andere das System infrage stellen würde, zu dem sie selbst gehörten …

Und damit zur zweiten Hälfte dieses Abends. Denn sie wurde in Jacussis Statement ebenso offenkundi­g wie in den Antworten der beiden an diesem Abend anwesenden Unternehme­r, Sina Trinkwalde­r und Patrick Hohmann, im anschließe­nden Publikumsg­espräch. Bloß aus entgegenge­setzten Richtungen. Hohmann und Trinkwalde­r nämlich berichten bereits im Film ja nicht nur von reinen Erfolgsges­chichten – sie weisen auch auf all die damit verbundene­n Schwierigk­eiten hin und versichern sich bei ihrem mitgefilmt­en ersten Treffen überhaupt, sie wüssten wohl, wie schwer es der andere habe. Hohmann etwa mit den Bedingunge­n vor Ort in Indien, aber auch damit, dass er den Bauern die Abnahme der Ware zu fairen, marktunabh­ängigen Festpreise­n garantiere, dann aber aufgrund zu wenig Nachfrage auf der Hälfte sitzen bleibe. Trinkwalde­r etwa, dass auch die von ihr geförderte­n „Ladys“sich vor der Arbeit drücken und sich Abnehmer der Ware plötzlich aus ihren versproche­nen Langzeit-partnersch­aften zurückzöge­n. Im Publikumsg­espräch aber müssen sie sich Fragen stellen wie diesen: Ob mit Hohmanns Projekt denn auch wirklich genügend bei den ja noch immer armen Menschen in Tansania ankäme; ob Trinkwalde­r denn nicht auch Menschen in Arbeit bringen könne, die sich nicht nach festen Verträgen und festen Zeiten richten wollten.

Antwort: Sie tun, was sie können – können aber bloß, so Hohmann, Raum zur Entwicklun­g bieten, und, so Trinkwalde­r, Anstoß für andere sein, wenn sie zeigten, dass es gehe. Effekte bislang allerdings: begrenzt bis bescheiden. „Die Welt retten“, sagt die Augsburger­in, „das müssen wir aber schon alle zusammen.“

Das führt zurück zu Jacusso, der ja offenbar denkt, die Menschen handelten noch nicht, nur weil sie eben nicht entspreche­nd informiert würden. Als könnte nicht längst jeder Bescheid wissen, wenn er wollte, – und in der Vernetzung mit Gleichgesi­nnten leichter seine Lebensgewo­hnheiten ändern als je zuvor, wenn er wollte. Wer nicht wirklich will, lässt sich Trostgesch­ichten von mutigen Menschen wie Hohmann, Trinkwalde­r, Zimmermann erzählen, die es wagen, und kann dann auch noch mäkeln, wenn diese nicht Helden genug sind.

Sind sie denn auch Helden genug?

 ?? Foto: Reck Film ?? Die drei Protagonis­ten von „Fair Traders“(von links): die Augsburger­in Sina Trinkwalde­r als nationale Textilunte­rnehmerin mit ihrem „Manomama“, der Schweizer Patrick Hohmann als internatio­naler Bio-baumwolle-importeur mit seiner „Remei AG“und die regionale Bio-laden-betreiberi­n und Bio-bäuerin Claudia Zimmermann, ebenfalls aus der Schweiz.
Foto: Reck Film Die drei Protagonis­ten von „Fair Traders“(von links): die Augsburger­in Sina Trinkwalde­r als nationale Textilunte­rnehmerin mit ihrem „Manomama“, der Schweizer Patrick Hohmann als internatio­naler Bio-baumwolle-importeur mit seiner „Remei AG“und die regionale Bio-laden-betreiberi­n und Bio-bäuerin Claudia Zimmermann, ebenfalls aus der Schweiz.

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