Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Mehr drin von „Brecht“
Breloers Filmbiografie gibt es auch gedruckt
„Brecht“auf allen Kanälen: Im Februar lief Heinrich Breloers halbdokumentarisches Lebensbild im Kino, am morgigen Freitag zeigt es der Tv-sender Arte, nächste Woche ist die ARD an der Reihe, und natürlich wird der Film in Kürze auf DVD zu haben sein. Damit nicht genug, ist „Brecht“inzwischen auch als Buch erschienen. Das ist nichts Ungewöhnliches in heutiger Filmvermarktung, doch bei Breloers Buch liegen die Dinge ein wenig anders. Denn der gedruckte „Brecht“geht als gut 500 Seiten starker „Roman seines Lebens“deutlich über die filmische Basis hinaus.
Während der Film nämlich streng in zwei Teile untergliedert ist – hier der junge Brecht bis 1933, dort der alt gewordene Rückkehrer zwischen 1948 und seinem Tod 1956 – und dabei auf die verbindende Exilzeit verzichtet, liefert das Buch das fehlende Mittelstück nach. Allerdings sind es laut Kapiteltitel lediglich „Szenen aus dem Exil“, punktuell Beleuchtetes also statt episch Ausgebreitetem wie in den beiden rahmenden Teilen. „Brechts Exilzeit“, schreibt Breloer dazu, „ist ein Kapitel für sich. Das hatten wir bei den allerersten Vorüberlegungen unserer Filmbiografie festgestellt und uns dafür entschieden, uns auf die Erzählung des ,deutschen Brecht‘ zu beschränken“. Immerhin, Brechts Beziehung zu zwei bedeutenden Frauen seines Lebens, Margarete Steffin und Ruth Berlau, kommt hier in exemplarischen Szenen zu Wort. Bewegend die Schilde- rung der Agonie und des Endes der Steffin 1941 in Moskau.
Aber auch jenseits des Exil-kapitels wartet das Buch mit Mehrwert auf. Wo für den Film doch wohl einiges geschnitten, manches auch von vornherein nicht realisiert worden war, hat im gedruckten „Brecht“die eine oder andere zusätzliche Szene Aufnahme gefunden. Wie jene, als Brecht 1949 noch mal für einen Tag nach Augsburg kommt und mit der Berlau den Perlachturm besteigt. Dort lässt Breloer die Begleiterin sagen: „Wenn die wüssten, dass gerade jetzt der Brecht hier oben steht und ihnen zusieht.“Und der Angesprochene antwortet: „Wenn sie’s vor fünf Jahren gewusst hätten, dass der Brecht in der Stadt ist, hätten’s mich aufgehängt.“Das ist Breloer’sche Dokufiktion im besten Sinne, hat Brecht damals doch über seine Heimatstadt notiert: „ … lässt mich ziemlich kalt.“Brecht-lebensbilder gibt es in weiß Gott nicht geringer Zahl, doch derzeit kaum eines, das Leben und Wirken des Verse- und Stückeschreibers in derart plausibler Weise auf den Punkt bringt – woran auch Breloers flüssiger Stil und die zahlreich mitgegebenen (Film-)bilder ihren Anteil haben.
» Heinrich Breloer: Brecht. Kiepenheuer & Witsch, 529 S., 26 ¤.
Der Zweiteiler „Brecht“läuft am 22. März beim Tv-sende Arte sowie am 27. März im Ersten (je 20.15 Uhr), beide Male gefolgt von einer Breloer-doku über „Brecht und das Berliner Ensemble“.