Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Uni soll Natur- und Schulmedizin vereinen
Der Wissenschaftsausschuss des Landtags will die integrative Forschung in Bayern stärken. Warum Politiker glauben, dass die neue Medizinfakultät in Augsburg dafür besonders geeignet wäre
Kranke Menschen sind oft verunsichert: Sollen sie sich lieber mit einem Naturheilverfahren behandeln lassen – oder besser in der klassischen Schulmedizin? Viele Patienten wünschen sich, beide Methoden in einer Behandlung zusammenzubringen. Ein Thema, das nun den Wissenschaftsausschuss des bayerischen Landtages beschäftigte. Am Mittwoch ging es auch um die Frage, ob ein entsprechendes wissenschaftliches Angebot in der neuen Augsburger Unimedizin geschaffen werden kann. Die Medizinfakultät an der Universität Augsburg befindet sich gerade im Aufbau. Aktuell werden die dafür nötigen Lehrstühle besetzt. Im Herbst sollen die ersten Humanmedizinstudenten nach Augsburg kommen.
Im Wissenschaftsausschuss des Landtages ging es am Mittwoch erst einmal grundsätzlich darum, die Verbindung zwischen Naturmedizin und Schulmedizin in Bayern zu stärken. Ein Antrag wurde einstimmig beschlossen. Csu-abgeordneter Josef Pschierer warb jedoch dafür, den entsprechenden Lehrstuhl in Augsburg einzurichten.
Konkret will die CSU von der Staatsregierung prüfen lassen, ob in Augsburg oder einer anderen bayerischen Universität ein „Lehrstuhl für komplementäre und integrative Medizin“eingerichtet werden kann. Weiter soll geklärt werden, ob ein „Kompetenznetzwerk für Integrative Medizin“gegründet werden kann, das praxisbezogene Versorgungsmodelle entwickelt.
Einfach gesagt geht es darum, verschiedene Heilverfahren zu bündeln, um damit der Komplexität des Körpers Rechnung zu tragen und die Selbstheilungskräfte anzuregen. Aus Sicht von Pschierer könnte gerade die neue Augsburger Unimedizin mit einem entsprechenden Forschungsbereich einen starken Ak- zent setzen – neben ihren aktuellen Schwerpunkten Umweltmedizin und Medizininformatik.
Der Abgeordnete Klaus Holetschek, der auch an der Spitze des Bayerischen Heilbäder-verbands steht, begründete seinen Antrag unter anderem mit Umfragen. Danach wollen 70 Prozent der Menschen Naturmedizin als Ergänzung zur Schulmedizin. Dahinter steht der Wunsch, ganzheitliche „sanfte“Verfahren mit naturwissenschaftlich abgesicherten Therapien zu kombinieren. Auf diesen vielfachen Wunsch solle der Freistaat reagieren und die richtigen Weichen für eine wissenschaftlich fundierte Grundlage in diesem Bereich stellen, so der Abgeordnete. Denn es gibt auch Kritiker der Naturmedizin, die na- turwissenschaftlich belastbare Fakten vermissen.
Holetschek und Pschierer verweisen aber auch auf die große Bedeutung, die Naturheilkunde gerade in Bayern habe, nicht zuletzt durch die Lehre von „Wasserdoktor“Sebastian Kneipp. Schwaben habe mit seinen Kneipp-heilbädern eine große Tradition, sagte Pschierer. Damit gebe es die Chance, eine enge Anbindung der Wissenschaft an die praktische Seite zu erreichen. „Wir können Theorie und Praxis zusammenbringen.“Auch ein Blick in die USA zeigt, wie sich Naturheilkunde erfolgreich in die medizinische Forschung und klinische Praxis eingliedern lässt. Dort ist die Komplementärmedizin seit vielen Jahren institutionell fest verankert und wird stark gefördert. Der beschlossene Antrag sei daher ein wichtiger Schritt, auch um die Forschung im Bereich Naturheilkunde und traditionelle Heilverfahren zu stärken, so die beiden Csu-politiker.
Und wie geht es jetzt weiter? Pschierer sagt, „ein erster Pflock ist eingeschlagen“. Er hofft, dass die Staatsregierung noch vor der Sommerpause zum Thema berichten wird. Politiker gehen davon aus, dass noch einige Zeit ins Land gehen wird, bis klar ist, ob und wann der neue Lehrstuhl finanziert und eingerichtet werden kann. Dies sei frühestens im nächsten Doppelhaushalt des Freistaates 2021/22 möglich.
An der Uni Augsburg sieht man vorerst andere Prioritäten. Medizin-gründungsdekanin Martina Kadmon teilt mit: „Aktuell steht die neu gegründete Medizinische Fakultät in der Pflicht, den Start des Studiengangs Humanmedizin zum Wintersemester 2019/2020 sicherzustellen. Um dies zu gewährleisten werden diejenigen Lehrstühle besetzt, die für die Umsetzung der Pflichtlehre in den ersten beiden Jahren des Modellstudiengangs erforderlich sind.“
Die Professorin verweist auch darauf, dass die Integration der Naturheilkunde auf wissenschaftlich fundierter Basis in Deutschland bereits an verschiedenen Behandlungs- und Forschungseinrichtungen umgesetzt werde. Unter anderem sei dies am Kompetenzzentrum für Komplementärmedizin und Naturheilkunde der TU München der Fall.