Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Radler fahren immer ...
... mitten auf der Straße. Das ist nur ein oft zu hörendes Vorurteil. Dann lohnt es sich, in eine freundliche Konfrontation zu gehen
Ausreden aus. Zum Glück sind Vorurteile also leicht zu entkräften. Dennoch bleibt es schade, wie sie uns von Toleranz und Rücksicht abhalten. Ich sage ja auch nicht „Ihr Autofahrer parkt immer alle auf Radwegen!“Sie würden sich wundern, wie oft ich mir hingegen anhören muss, dass „wir Radfahrer immer“über Rot fahren, ohne Licht unterwegs sind oder generell rücksichtslose Rüpel sind. Wie tief diese Wahrnehmungen verwurzelt sind und in welcher Aggression sie sich widerspiegeln, macht mir auf der Straße manchmal Sorgen. So entstehen Grabenkämpfe.
Wo auch immer man einen Kfz-führer mit seinem Fehlverhalten in einer konkreten Si- tuation konfrontiert, hat man gute Chancen, in eine Schublade mit denen gesteckt zu werden, die das Image der Radler beschädigen. Oder man spürt direkt auf der Straße, dass die Wut tief sitzt: Da fährt man auf der Fahrbahn neben einem für den Radverkehr freigegebenen Fußweg – welchen man dementsprechend nicht benutzen muss – und wird in kraftfahrender Selbstjustiz abgedrängt. Ein Gespräch danach zeigt sehr oft, dass der Fahrer es wohl einfach satt hatte,
Rücksicht zu nehmen,
weil „die Radfahrer ja eh machen, was sie wollen“.
Ich versuche daher möglichst so respektvoll zu fahren, wie ich es von Kfz-fahrern erwarte: Ich warte an Engstellen, nutze den Radweg für meine Richtung, sofern er existiert, und niemals wird man mich bei Dunkelheit ohne Licht antreffen. Aber ich nehme mir auch die Rechte, die mir nach der Straßenverkehrsordnung zustehen: Sofern kein benutzungspflichtiger Radweg existiert, werden sie mich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der Fahrbahn antreffen, so wie es § 2 STVO beschreibt. Und ich werde sie konfrontieren, wenn sie mich deswegen anhupen oder gar abdrängen! Aus Prinzip.
Neulich wurde ich dafür belohnt: Der Fahrer, der mich eben noch auf den Fußweg hupen wollte, war einsichtig und ließ sich darauf ein, auszusteigen und gemeinsam die Beschilderung anzusehen. Er merkte, dass sein Verhalten überzogen war und bedankte sich für das Gespräch. Wieder einer mehr, der sich zukünftig mit der in § 1 STVO geforderten Toleranz bewegen wird. Ein Grund zum Feiern! Ein Grund mehr, dafür dass „wir Radfahrer“uns möglichst regelkonform verhalten. Aber auch ein Grund mehr dafür, dass „wir Radfahrer“auch den Raum einfordern, der uns zusteht. Und vor allem auch ein Grund mehr, dass wir die freundliche Konfrontation suchen.
36, ist Vater von zwei Kindern und lebt seit 14 Jahren autofrei.
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