Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie sicher ist der Schatz der Bayern?

In Dresden haben Juwelendie­be einen Coup gelandet und sind ins berühmte Grüne Gewölbe eingebroch­en. Muss man sich auch um die bayerische­n Kronjuwele­n sorgen? Das Thema Sicherheit ist jedenfalls heikel

- VON ULI BACHMEIER

München Die bayerische­n Kronjuwele­n sind schon lange nicht mehr das, was sie einmal waren. Allerdings können dafür – anders als in Sachsen – keine dreisten Einbrecher verantwort­lich gemacht werden. Es war schlicht Geldnot, die das Haus Wittelsbac­h bereits im Jahr 1931 dazu veranlasst­e, das Prachtstüc­k ihres Schatzes, den „Blauen Wittelsbac­her“, aus der Königskron­e entfernen zu lassen und – mit Zustimmung der Bayerische­n Staatsregi­erung – zu verscherbe­ln. Statt des leuchtend blauen 35,56-Karat-diamanten ziert jetzt ein Imitat die Spitze der Königskron­e. Der Rest der Kronjuwele­n – Königinnen­krone, Zepter und Schwert – allerdings ist noch komplett da, ebenso der goldene Siegelkast­en und der Reichsapfe­l.

Angesichts des jüngsten Coups in Dresden, wo sich Juwelendie­be im berühmten Grünen Gewölbe austobten, stellt sich auch hierzuland­e die Frage: Werden Kronen, Schwerter und Schmuck in der Schatzkamm­er der Münchner Residenz denn auch sicher verwahrt?

Eine Antwort darauf ist gar nicht so einfach zu erhalten. Die Bayerische Schlösser- und Seenverwal­tung ist eine selbstbewu­sste staatliche Behörde, die mächtig stolz ist auf ihre Immobilien und deren Inventar. In Sicherheit­sfragen aber ist sie – diplomatis­ch formuliert – eher wortkarg. Das ist irgendwie verständli­ch. Wer einen Schatz hütet, der redet nicht gerne über seine Aufpasser, Alarmsyste­me und Überwachun­gskameras – schon gar nicht, wenn Einbrecher, die andernorts gerade mit einigem Erfolg zugeschlag­en haben, noch immer unbekannt und auf freiem Fuß sind.

Auch ein Anruf beim Finanzmini­sterium, dem die Schlösser- und Seenverwal­tung untersteht, hilft da zunächst nicht weiter. „Aus Sicherheit­sgründen“, so heißt es auf Anfrage, wolle die Behörde keine Auskünfte geben. Erst auf erneute Nachfrage meldet sich eine freundliMi­tarbeiteri­n der Pressestel­le der Schlösser- und Seenverwal­tung. Doch selbst wer hoch und heilig verspricht, nicht über jene Einzelheit­en der Schatzverw­ahrung zu schreiben, die speziell Einbrecher interessie­ren könnten, beißt auf Granit. Sie könne unserer Zeitung bestenfall­s eine „kunsthisto­rische Führung“anbieten, sagt die Sprecherin. Nicht einmal auf die Frage, ob denn nach dem Einbruch in Dresden die Sicherheit­svorkehrun­gen in Bayerns staatliche­n Museen, Schlössern und Residenzen überprüft werden, gibt es eine Antwort: „Auch dazu werden Sie von uns keine Aussage bekommen.“

Bleibt also nur noch der Weg über den Chef, Finanzmini­ster Albert Füracker (CSU). Der hat zwar kurz vor den Verhandlun­gen über den bayerische­n Staatshaus­halt gerade anderes zu tun. Aber freundlich wie er ist, beugt er sich dem Argument, dass das Volk der Bayern schließlic­h das Recht habe zu erfahren, ob die Staatsregi­erung bei der Verwahrung der historisch­en Schätze des Freistaats die nötige Sorgfalt walten lasse. Und so gibt es am Abend des zweiten Tages der Recherche doch noch eine halbwegs beruhigend­e Antwort. Das Finanzmini­sterium teilt mit: „Die Ausgestalt­ung der Sicherheit­seinrichtu­ngen in den einzelnen Objekten der Schlösserv­erwaltung wird spezifisch nach den jeche weiligen örtlichen Gegebenhei­ten vorgenomme­n. Die Sicherheit­svorkehrun­gen in den Objekten der Schlösserv­erwaltung sind auf dem aktuellen Stand der Sicherheit­stechnik. Sie werden auch regelmäßig von der Bayerische­n Schlösserv­erwaltung überprüft sowie gegebenenf­alls angepasst und modernisie­rt.“

Notorische Zweifler könnten nun einwenden, dass vor dem Einbruch in Dresden vermutlich auch die sächsische Landesregi­erung eine derartige Antwort gegeben hätte. Und wer Mission Impossible I bis VI gesehen hat, der hat ohnehin jeden Glauben ans Unmögliche verloren. Ein Besuch in der Schatzkamm­er der Münchner Residenz aber macht dann doch wieder Mut: Mächtig dicke Wände, stählerne Tresortüre­n, aufmerksam­es Personal und jede Menge Sicherheit­stechnik, die hier in diesem Artikel – versproche­n ist versproche­n – nicht näher beschriebe­n wird.

Gesagt freilich ist damit noch nicht alles. Es gibt in der bayerischs­ächsischen Kronjuwele­nfrage noch einen weiteren Aspekt, der in der ganzen Aufregung über den dreisten Einbruch ins Grüne Gewölbe in Dresden noch nicht beachtet wurde: Die Sachsen haben ihr Prachtstüc­k noch – den „Grünen Dresdner“. Der Edelstein, der wie der „Blaue Wittelsbac­her“zu den drei Dutzend der wertvollst­en Diamanten der Welt gezählt wird, war laut Polizei nämlich gar nicht im Haus, als die bösen Ganoven im Grünen Gewölbe auf Beutezug waren.

Der „Blaue Wittelsbac­her“dagegen ist für immer verloren. Er ging, nachdem sein Verkauf im Jahr 1951 schließlic­h geglückt war, durch viele Hände. Die letzte Gelegenhei­t, ihn nach Bayern zurückzuho­len, ließ die Staatsregi­erung im Jahr 2008 verstreich­en. Damals wäre der Diamant für rund 24 Millionen Dollar im Auktionsha­us Christie’s in London zu ersteigern gewesen. Nie zuvor war für einen Edelstein bei einer Auktion mehr gezahlt worden. Der Käufer war der Londoner Juwelier und Edelsteinh­ändler Laurence Graff, der den Stein – so ist in der Online-enzyklopäd­ie Wikipedia nachzulese­n – neu hat schleifen lassen, „um Absplitter­ungen zu beseitigen und Reinheit und Brillanz besser zur Geltung zu bringen“, was der deutsche Kunsthisto­riker Hans Ottomeyer als „Vandalisie­rung“geißelte. Der Neuschliff habe den Stein mit jetzt nur noch rund 31 Karat zu einem „königliche­n Lutschbonb­on“gemacht.

Aktueller Besitzer – man weiß es offenbar nicht so ganz genau – soll ein arabischer Scheich sein. Er hat für den ehemaligen „Blauen Wittelsbac­her“angeblich 80 Millionen Dollar gezahlt.

 ?? Foto: Bayerische Schlösserv­erwaltung, www.schloesser.bayern.de ?? Die Königskron­e in ihrer (fast) ganzen Pracht – der „Blaue Wittelsbac­her“in der Spitze ist nur ein Imitat. Das Original wurde einst verkauft. Aus Geldnot.
Foto: Bayerische Schlösserv­erwaltung, www.schloesser.bayern.de Die Königskron­e in ihrer (fast) ganzen Pracht – der „Blaue Wittelsbac­her“in der Spitze ist nur ein Imitat. Das Original wurde einst verkauft. Aus Geldnot.

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