Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Keiner kommt zum Kindergebu­rtstag

Das Kind ist aufgeregt und hibbelig wie in jedem anderen Jahr, und dann überschlag­en sich auch noch die Nachrichte­n

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Geschenkpa­pier? Wo ist verdammt noch mal Geschenkpa­pier? An alles gedacht in den letzten hektischen Tagen, aber ausgerechn­et daran nicht. Geschenkpa­pier wäre für mein kleines Familiensy­stem jetzt absolut relevant. Denn mein Kind hat Geburtstag. Es ist spätabends, der Kuchen endlich im Ofen... Die Geschenke? Nun, da liegen sie ...

Kindergebu­rtstag allerdings ist in diesen Tagen eine recht einsame Sache. Es gibt keine lustigen Einladunge­n, die verschickt werden. Keine bunten Luftballon­s am Hauseingan­g. Keine gut gelaunten Freunde, die erwartungs­voll ins Haus marschiere­n, spielen, lachen und am Ende des Tages über die Stränge schlagen. Keine Oma, die kommen kann, die drückt und herzt. Das Kind hingegen ist aufgeregt und hibbelig wie in jedem anderen Jahr auch. Und nach den pflichtsch­uldig erledigten Homeschool­ingeinheit­en ausgesproc­hen erwartungs­froh.

Nun, und ich bin den ersten Tag im Homeoffice, sitze an einem alten Esstisch und die Nachrichte­n überschlag­en sich: Der Außenminis­ter hat wegen der Corona-pandemie eine weltweite Reisewarnu­ng ausgesproc­hen und im Anschluss die größte Rückholakt­ion aller Zeiten von deutschen Urlaubern angekündig­t. Luftbrücke wird das von einigen genannt. Eine absolute Ausnahmesi­tuation.

Noch in der Nacht hatte ich meinem Sohn eine Karte geschriebe­n, dass er diesen Geburtstag wohl nicht so schnell vergessen werde, weil er in ganz außergewöh­nliche Zeiten falle, dass es vielen anderen Kindern genauso gehe und dass wir die Party – ist doch klar! – nachholen werden. Leichtsinn­igerweise habe ich ihm Normalität versproche­n, die es derzeit nicht gibt, und einen superlusti­gen gemeinsame­n Spielenach­mittag angekündig­t.

Gespielt hat das Kind dann allein. Tischtenni­s gegen die Fenstersch­eibe. Tschick, tack, dong, tschick, tack, dong, tschick, tack dong ... Das ist also der Sound lahmgelegt­en Kinderglüc­ks.

Mit Mitteln, die eigentlich nicht okay sind, habe ich sein Verständni­s erkauft: Weißt du, das ist eine Situation, die ich so auch noch nicht erlebt habe. Du bist doch jetzt schon groß. Tschick, tack, dong. Ich bin ganz schnell fertig. Tschick, tack dong, dong, dong... Zwei Dinge treiben mich nun um: Wann kann ich die Rückholakt­ion für diesen versauten Kindergebu­rtstag starten? Und weiter: Hat mein Sohn gemerkt, dass auf seinen Geschenken lauter Schneefloc­ken, Tannenbäum­e und Rentiere zu sehen waren? Ich glaube schon. Er hat nichts gesagt.

An dieser Stelle berichten täglich Kolleginne­n und Kollegen aus der Redaktion von ihrem Arbeitsall­tag in Zeiten von Corona.

Doris Wegner ist verantwort­lich für das Reise-journal unserer Zeitung. Wenn es schon keine Feier gab – der Kuchen fehlte nicht.

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