Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wenn die Polizei im Kebab-haus kontrolliert
Viele Menschen halten sich nicht an die Regeln zur Eindämmung des Coronavirus. Deshalb wird ab sofort strikter darauf geachtet. Die Polizei hat personell aufgestockt, im Klinikum gibt es inzwischen drei ernstere Fälle
In der Jakobervorstadt feierten Jugendliche Mittwochnacht offenbar eine Party. Nachbarn riefen irgendwann die Polizei – auch wegen des Lärms. Wohl aus Rache für den Polizeieinsatz fanden die Hausbewohner Erzählungen zufolge am nächsten Morgen gebrauchte Taschentücher an ihren Wohnungstürgriffen.
Die Behörden finden dies nicht lustig. Die Polizei schreitet nicht nur bei sogenannten „Corona-partys“ein. Seit Mittwoch kontrolliert sie auch Spielplätze, Parks und öffentliche Plätze. Die Menschen sollen Abstand halten. Auch Geschäfte, Restaurants und Bars werden jetzt überprüft. Miteingebunden ist der städtische Ordnungsdienst. Erste Bilanz: Beamte und Ordnungsdienst haben jede Menge Arbeit und immer wieder Ärger mit Personen, die kontrolliert werden.
Vor allem junge Leute treffen sich an Ufern von Wertach und Lech oder sitzen in Gruppen auf dem Rathausplatz beisammen. Solche Zusammenkünfte sind seit Mittwoch untersagt, weil der Katastrophenfall in Bayern gilt. Der Freistaat hat die Regelung angeordnet. Die Einschränkungen im Alltag aufgrund der Corona-pandemie sind massiv. Gastronomien dürfen nur bis 15 Uhr geöffnet haben, danach können sie Speisen lediglich zur Mitnahme anbieten. Geschäfte, die nicht zur lebensnotwendigen Versorgung gezählt werden, mussten schließen.
40 Mitarbeiter des städtischen Ordnungsdienstes sowie Polizisten vom Wach- und Streifendienst, der aufgestockt wurde, kontrollieren die Einhaltung der Vorgaben. „Die Gefahrenabwehr steht im Mittelpunkt“, unterstreicht Polizeisprecher Michael Jakob. Die Beamten, die durch Innenstadt und Stadtteile ziehen, werden von der Bereitschaftspolizei unterstützt. Wie etwa am Mittwoch in Oberhausen.
Nach 16 Uhr gehen uniformierte Einsatzkräfte dort von Imbiss zu Imbiss. Sie überprüfen, ob sich noch Gäste in den Lokalen aufhalten. Im Zuständigkeitsbereich der Polizei Schwaben Nord wurden bislang über 1900 Objekte und Freiflächen kontrolliert. Nach Angaben der Polizei waren in knapp 300 Fällen gewerbliche Betriebe entgegen der Verfügung geöffnet oder es hielten sich Menschen in den Grünanlagen
Polizei und Ordnungsdienst betonen, dass man anfangs die Menschen vor allem auf die nun geltenden Anordnungen sensibilisieren wolle. „Wir gehen dabei mit Augenmaß vor und pochen auf Einsicht“, betonte Polizei-vizepräsident Markus Trebes am Donnerstag.
Gebe es tatsächlich eklatante Vergehen nach dem Infektionsschutzgesetz (IFSG), wäre dies laut Polizeisprecher Michael Jakob eine Straftat, die dann bei der Staatsanwaltschaft lande. Die Polizei stellt auf ihren Rundgängen bislang fest, dass viele Menschen noch nicht ausreichend über die aktuelle Situation informiert sind. „Sie zeigen sich in vielen aufklärenden Gesprächen einsichtig.“Beamte müssen auch immer wieder auf Spielplätzen Eltern ansprechen, die sich dort nach wie vor mit ihren Kindern aufhalten. Manchmal stoßen die Einsatzkräfte auf Unverständnis. Wie etwa im Fall einer Augsburger Bäckerei. Hier musste die Polizei gegen zwei Gästen Strafanzeige wegen Hausauf. friedensbruchs erstatten. Die beiden 24- und 34-Jährigen saßen weiterhin im bewirteten Außenbereich, obwohl der Betrieb um 15 Uhr eingestellt worden war. Wie die Polizei berichtet, weigerten sich die Cafégäste allerdings zu gehen. „Sie zeigten sich völlig uneinsichtig.“Neben einer Strafanzeige erhielten sie vom Betreiber zusätzlich Hausverbot. Die Behörden machen ernst.
Oberbürgermeister Kurt Gribl sagte am Donnerstag, „dass wir mit den Kontrollen nicht überall sein können“. Insofern appelliere er noch einmal, dass sich auch junge Menschen an die Vorgaben halten müssen, jetzt keine großen Versammlungen zu organisieren.
Martina Koch und Tim Köhler sitzen am Donnerstagnachmittag mit einem Bier auf dem Rathausplatz in der Sonne. Sie sehen das zwiegespalten. Was das Treffen junger Menschen untereinander angeht, sagt der 30-jährige Köhler, sei er hin- und hergerissen. „Wenn es tatsächlich junge, gesunde Leute sind, kann jeder tun und lassen, wie er will – solange sie nicht in Kontakt mit Risikogruppen treten“, sagt er schließlich. Seine Bekannte sieht das ähnlich. Sie treffe sich weiterhin mit einzelnen Freunden. „Aber ich besuche derzeit nicht meinen Vater, da er schon älter und herzkrank ist. Und obwohl er heute Geburtstag hat, gehe ich nicht zu ihm.“
Haben die Augsburger den Ernst der Lage wegen der Ausbreitung des Coronavirus begriffen? OB Kurt Gribl sagte, dass es darauf keine allgemeine Antwort gebe. Die Ordnungsbehörden lassen aber keinen Zweifel daran, dass auf die Umsetzung streng geachtet werde. Im äußersten Fall, das klang am Donnerstag durch, könnte die Stadt selbst eine Ausgangssperre erlassen, wie dies in anderen Städten geschehen ist. „Über eine mögliche Ausgangssperre diskutieren wir im Krisenstab“, so Gribl.
Die Rahmenbedingungen seien bekannt: „Dies passiert dann, wenn es eine konzentrierte Entwicklung mit Personen gibt, die mit dem Coronavirus infiziert sind.“Aktuell sind in Augsburg 34 Covid-19-fälle bestätigt. Im Uniklinikum Augsburg wurden am Donnerstag acht Corona-patienten behandelt, drei davon mussten ans Beatmungsgerät.
Eine Ausgangssperre ist laut Gribl auch dann denkbar, wenn Verordnungen überhaupt nicht eingehalten würden: „Wenn keine Einsicht besteht, bleibt nur die Ausgangssperre.“Von diesem Instrument werde aber sicherlich keiner gerne Gebrauch machen.
Für Pflegeheime und Dienste ist die Situation derzeit schwer zu handhaben, auch Ärzte oder Eltern stehen vor enormen Herausforderungen. Die Wertstoffhöfe sind überlaufen und in sozialen Netzwerken finden sich immer mehr Menschen zusammen, die helfen wollen.