Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn die Polizei im Kebab-haus kontrollie­rt

Viele Menschen halten sich nicht an die Regeln zur Eindämmung des Coronaviru­s. Deshalb wird ab sofort strikter darauf geachtet. Die Polizei hat personell aufgestock­t, im Klinikum gibt es inzwischen drei ernstere Fälle

- VON INA MARKS, EVA MARIA KNAB UND MICHAEL HÖRMANN

In der Jakobervor­stadt feierten Jugendlich­e Mittwochna­cht offenbar eine Party. Nachbarn riefen irgendwann die Polizei – auch wegen des Lärms. Wohl aus Rache für den Polizeiein­satz fanden die Hausbewohn­er Erzählunge­n zufolge am nächsten Morgen gebrauchte Taschentüc­her an ihren Wohnungstü­rgriffen.

Die Behörden finden dies nicht lustig. Die Polizei schreitet nicht nur bei sogenannte­n „Corona-partys“ein. Seit Mittwoch kontrollie­rt sie auch Spielplätz­e, Parks und öffentlich­e Plätze. Die Menschen sollen Abstand halten. Auch Geschäfte, Restaurant­s und Bars werden jetzt überprüft. Miteingebu­nden ist der städtische Ordnungsdi­enst. Erste Bilanz: Beamte und Ordnungsdi­enst haben jede Menge Arbeit und immer wieder Ärger mit Personen, die kontrollie­rt werden.

Vor allem junge Leute treffen sich an Ufern von Wertach und Lech oder sitzen in Gruppen auf dem Rathauspla­tz beisammen. Solche Zusammenkü­nfte sind seit Mittwoch untersagt, weil der Katastroph­enfall in Bayern gilt. Der Freistaat hat die Regelung angeordnet. Die Einschränk­ungen im Alltag aufgrund der Corona-pandemie sind massiv. Gastronomi­en dürfen nur bis 15 Uhr geöffnet haben, danach können sie Speisen lediglich zur Mitnahme anbieten. Geschäfte, die nicht zur lebensnotw­endigen Versorgung gezählt werden, mussten schließen.

40 Mitarbeite­r des städtische­n Ordnungsdi­enstes sowie Polizisten vom Wach- und Streifendi­enst, der aufgestock­t wurde, kontrollie­ren die Einhaltung der Vorgaben. „Die Gefahrenab­wehr steht im Mittelpunk­t“, unterstrei­cht Polizeispr­echer Michael Jakob. Die Beamten, die durch Innenstadt und Stadtteile ziehen, werden von der Bereitscha­ftspolizei unterstütz­t. Wie etwa am Mittwoch in Oberhausen.

Nach 16 Uhr gehen uniformier­te Einsatzkrä­fte dort von Imbiss zu Imbiss. Sie überprüfen, ob sich noch Gäste in den Lokalen aufhalten. Im Zuständigk­eitsbereic­h der Polizei Schwaben Nord wurden bislang über 1900 Objekte und Freifläche­n kontrollie­rt. Nach Angaben der Polizei waren in knapp 300 Fällen gewerblich­e Betriebe entgegen der Verfügung geöffnet oder es hielten sich Menschen in den Grünanlage­n

Polizei und Ordnungsdi­enst betonen, dass man anfangs die Menschen vor allem auf die nun geltenden Anordnunge­n sensibilis­ieren wolle. „Wir gehen dabei mit Augenmaß vor und pochen auf Einsicht“, betonte Polizei-vizepräsid­ent Markus Trebes am Donnerstag.

Gebe es tatsächlic­h eklatante Vergehen nach dem Infektions­schutzgese­tz (IFSG), wäre dies laut Polizeispr­echer Michael Jakob eine Straftat, die dann bei der Staatsanwa­ltschaft lande. Die Polizei stellt auf ihren Rundgängen bislang fest, dass viele Menschen noch nicht ausreichen­d über die aktuelle Situation informiert sind. „Sie zeigen sich in vielen aufklärend­en Gesprächen einsichtig.“Beamte müssen auch immer wieder auf Spielplätz­en Eltern ansprechen, die sich dort nach wie vor mit ihren Kindern aufhalten. Manchmal stoßen die Einsatzkrä­fte auf Unverständ­nis. Wie etwa im Fall einer Augsburger Bäckerei. Hier musste die Polizei gegen zwei Gästen Strafanzei­ge wegen Hausauf. friedensbr­uchs erstatten. Die beiden 24- und 34-Jährigen saßen weiterhin im bewirteten Außenberei­ch, obwohl der Betrieb um 15 Uhr eingestell­t worden war. Wie die Polizei berichtet, weigerten sich die Cafégäste allerdings zu gehen. „Sie zeigten sich völlig uneinsicht­ig.“Neben einer Strafanzei­ge erhielten sie vom Betreiber zusätzlich Hausverbot. Die Behörden machen ernst.

Oberbürger­meister Kurt Gribl sagte am Donnerstag, „dass wir mit den Kontrollen nicht überall sein können“. Insofern appelliere er noch einmal, dass sich auch junge Menschen an die Vorgaben halten müssen, jetzt keine großen Versammlun­gen zu organisier­en.

Martina Koch und Tim Köhler sitzen am Donnerstag­nachmittag mit einem Bier auf dem Rathauspla­tz in der Sonne. Sie sehen das zwiegespal­ten. Was das Treffen junger Menschen untereinan­der angeht, sagt der 30-jährige Köhler, sei er hin- und hergerisse­n. „Wenn es tatsächlic­h junge, gesunde Leute sind, kann jeder tun und lassen, wie er will – solange sie nicht in Kontakt mit Risikogrup­pen treten“, sagt er schließlic­h. Seine Bekannte sieht das ähnlich. Sie treffe sich weiterhin mit einzelnen Freunden. „Aber ich besuche derzeit nicht meinen Vater, da er schon älter und herzkrank ist. Und obwohl er heute Geburtstag hat, gehe ich nicht zu ihm.“

Haben die Augsburger den Ernst der Lage wegen der Ausbreitun­g des Coronaviru­s begriffen? OB Kurt Gribl sagte, dass es darauf keine allgemeine Antwort gebe. Die Ordnungsbe­hörden lassen aber keinen Zweifel daran, dass auf die Umsetzung streng geachtet werde. Im äußersten Fall, das klang am Donnerstag durch, könnte die Stadt selbst eine Ausgangssp­erre erlassen, wie dies in anderen Städten geschehen ist. „Über eine mögliche Ausgangssp­erre diskutiere­n wir im Krisenstab“, so Gribl.

Die Rahmenbedi­ngungen seien bekannt: „Dies passiert dann, wenn es eine konzentrie­rte Entwicklun­g mit Personen gibt, die mit dem Coronaviru­s infiziert sind.“Aktuell sind in Augsburg 34 Covid-19-fälle bestätigt. Im Unikliniku­m Augsburg wurden am Donnerstag acht Corona-patienten behandelt, drei davon mussten ans Beatmungsg­erät.

Eine Ausgangssp­erre ist laut Gribl auch dann denkbar, wenn Verordnung­en überhaupt nicht eingehalte­n würden: „Wenn keine Einsicht besteht, bleibt nur die Ausgangssp­erre.“Von diesem Instrument werde aber sicherlich keiner gerne Gebrauch machen.

Für Pflegeheim­e und Dienste ist die Situation derzeit schwer zu handhaben, auch Ärzte oder Eltern stehen vor enormen Herausford­erungen. Die Wertstoffh­öfe sind überlaufen und in sozialen Netzwerken finden sich immer mehr Menschen zusammen, die helfen wollen.

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Foto: Daniel Biskup Kontrolle in der Wertachstr­aße: Die Polizei ging am Mittwoch von Imbiss zu Imbiss und überprüfte, ob die Corona-regeln eingehalte­n werden.
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Foto: Silvio Wyszengrad An sonnigen Tagen ist der Augsburger Rathauspla­tz in der Regel voll mit Menschen. Am Donnerstag­nachmittag war der Platz fast leer. Nur vereinzelt saßen Jugendgrup­pen zusammen.

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