Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Hausarzt

„Viele trauen sich nicht mehr in die Praxis“

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Es klingt ein bisschen kurios, aber in dieser Woche hatten wir in der Praxis weniger Arbeit als sonst. Das liegt daran, dass sich viele Patienten nicht mehr hierher trauen. Sie haben Angst, sich anzustecke­n, obwohl es einen abgeschlos­senen Bereich mit eigenem Eingang für Patienten gibt, die fürchten, sich mit dem Coronaviru­s infiziert zu haben. Eine unserer wichtigste­n Aufgaben ist gerade die Aufklärung. Viele Patienten sind verunsiche­rt und wollen sich unbedingt testen lassen. Das verstehe ich gut, und selbstvers­tändlich führen wir – wie viele andere Hausärzte – Tests im begründete­n Verdachtsf­all durch. Aber wir müssen klarmachen, dass es nur Tests für Personen gibt, die Symptome haben und entweder in einem Risikogebi­et gewesen sind oder mit Infizierte­n in Kontakt waren. Andernfall­s würden wir das System überforder­n. Für Menschen, die nicht in die Praxis kommen wollen, etablieren wir eine Videosprec­hstunde. Und natürlich machen wir viel mehr Hausbesuch­e als sonst. Ich hatte diese Woche eigentlich Urlaub, habe aber einige Besuche übernommen, um meine Kollegen zu entlasten.

Angst habe ich nicht unbedingt, aber es macht einen schon nachdenkli­ch, wenn man erlebt, wie ein Erreger unser hochgelobt­es Gesundheit­ssystem binnen kürzester Zeit an seine Grenzen bringen kann. Trotzdem habe ich Vertrauen in unsere Regierung. Es wird viel unternomme­n, um die Ausbreitun­g zu bremsen. Aber es kommt eben auch auf jeden Einzelnen an. Und wenn ich sehe, wie viele Leute noch immer in großen Gruppen unterwegs sind, fürchte ich, dass am Ende nur eine Ausgangssp­erre hilft.

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Foto: Eberstein Roland Eberstein, Friedberg. 46, ist Hausarzt in

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