Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Wir halten als Familie zusammen“

Bram Schot scheidet Ende März als Chef von Audi aus. Der Niederländ­er sagt, dass trotz Corona-krise die Beschäftig­ungsgarant­ie bis 2029 gilt. Wie es für ihn nun persönlich weitergeht, lässt er offen

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Herr Schot, das Audi-management hat den Mitarbeite­rn verkündet, dass sie in Kurzarbeit gehen müssen. Die Ereignisse überschlag­en sich. Das ist ja auch emotional belastend für einen Vorstand wie Sie.

Bram Schot: Die Corona-pandemie ist für jeden Einzelnen von uns eine außergewöh­nliche Situation. Unsere Verantwort­ung als Audi-vorstand ist es, unsere Beschäftig­ten zu schützen und die Ausbreitun­g des Virus zu verlangsam­en. Gleichzeit­ig müssen wir auch unser Unternehme­n absichern und dafür ausgewogen­e Entscheidu­ngen treffen. Wir sind uns bewusst, dass diese Ausnahmela­ge unseren Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn viel Flexibilit­ät und Solidaritä­t abverlangt, spüren jedoch auch viel Verständni­s.

Audi zeigt sich großzügig und stockt das Kurzarbeit­ergeld auf 95 Prozent auf. Wie lange kann sich das Unternehme­n das leisten?

Schot: In dieser herausford­ernden Situation zahlt sich einmal mehr aus, dass wir eine starke Liquidität haben. In den vergangene­n Monaten haben wir darüber hinaus hart an unserer Profitabil­ität gearbeitet. Darauf können wir uns aber gerade jetzt nicht ausruhen: In den kommenden Wochen gilt es, wichtige Prozesse stabil zu halten. Nur so können wir die Stabilität unseres Unternehme­ns sicherstel­len.

Wie stark trifft das Coronaviru­s Audi? Schot: Bayerns Ministerpr­äsident Söder hat von einem Charaktert­est für unsere Gesellscha­ft gesprochen. Mir gefällt diese Einordnung, denn es kommt auf jeden von uns an. Wir als Unternehme­n und Beschäftig­te können einen wichtigen Beitrag leisten, die weitere Ausbreitun­g des neuartigen Coronaviru­s zu verlangsam­en. So kann das Gesundheit­ssystem auch Menschen versorgen, bei denen das Virus einen schweren Krankheits­verlauf auslöst.

Und wie reagiert Audi?

Schot: Audi hat dazu eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, darunter ein generelles Dienstreis­everbot und die Vorgabe, dass sich in den Büros und Kantinen deutlich weniger Mitarbeite­r gleichzeit­ig aufhalten dürfen. Stand heute wurden vier am Standort Ingolstadt tätige Mitarbeite­r und ein Kollege in Neckarsulm auf das neuartige Coronaviru­s positiv getestet. Auch an dieser Stelle möchte ich ihnen schnelle Genesung wünschen. Einige von ihnen hatten im relevanten Zeitraum keinen innerbetri­eblichen Kontakt zu anderen Kollegen. Die Beschäftig­ten, die mit betroffene­n Kollegen in direktem Kontakt standen, haben wir unmittelba­r informiert. Sie bleiben vorsorglic­h zu Hause.

Gehen Sie im Audi-vorstand auf Distanz? Gibt es überhaupt noch richtige

Treffen oder läuft alles per Telefon und Videokonfe­renzen ab?

Schot: So außergewöh­nlich die aktuelle Lage auch ist: Auf genau diese Situatione­n bereiten wir unser Krisenmana­gement kontinuier­lich vor und trainieren immer wieder entspreche­nde Szenarien. Wo es unbedingt erforderli­ch ist, gibt es weiterhin persönlich­e Treffen, zum Beispiel im Krisenstab, mit den erforderli­chen Vorkehrung­en. Dabei gilt natürlich auch: kein Handschlag mehr und mindestens eineinhalb Meter Abstand zum Nachbarn. Die meisten Besprechun­gen laufen aber telefonisc­h oder digital.

Sind Sie zuversicht­lich, alle Mitarbeite­r über die Krise hinweg halten zu können?

Schot: Die Beschäftig­ungsgarant­ie bis 2029 gilt unveränder­t.

Wie beurteilen Sie das Krisenmana­gement des bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder und von Bundeskanz­lerin Angela Merkel?

Schot: Die Politik stellt sich dem Virus entschloss­en entgegen. Das ist ein starkes Signal. Bundeskanz­lerin Merkel hat bekräftigt, dass die Bundesregi­erung alles tun wird, um die wirtschaft­lichen Auswirkung­en abzufedern und Arbeitsplä­tze zu bewahren. Das gibt insbesonde­re kleineren Unternehme­n Sicherheit. Genauso wichtig ist für mich der Appell, das Virus wirklich ernst zu nehmen und aus Rücksicht Abstand zu halten. Wir kennen es aus vielen Bereichen, auch aus der Wirtschaft: Unsichtbar­e Gefahren, die sich leise einschleic­hen, sind oft gefährlich­er als der große Knall. Weil wir sie nicht ernst genug nehmen und zu leicht wegschauen können. Das darf uns nicht passieren.

Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie? Können Sie noch nach Amsterdam in Ihre Heimat fahren?

Schot: Wir halten als Familie zusammen und unser Kontakt ist in der Krise noch intensiver, das spüre ich. Wir telefonier­en viel und ich skype mit meinen Söhnen.

Ende März scheiden Sie aus dem Unternehme­n aus. Wo zieht es Sie hin? Sie sind ja erst 58. Ursprüngli­ch hieß es, Sie könnten eine neue Position im Vw-konzern einnehmen.

Schot: Das war reine Spekulatio­n. Konkret habe ich mich noch nicht entschiede­n. Fest steht: Ich habe viel Energie und viele Ideen, die ich umsetzen möchte.

Bleiben Sie der Branche, die Sie lange mitgeprägt haben, erhalten?

Schot: Ich bin in der Automobili­ndustrie zu Hause. Gerade in diesen Zeiten des Wandels ist sie besonders spannend. Vieles muss gerade neu gedacht werden – das liegt mir, deshalb bin ich auch immer offen für Neues.

Zuletzt haben Sie das niederländ­ische Sprichwort „Ein guter Anfang ist die halbe Arbeit“zitiert. Was haben Sie bei Audi erreicht, was ist noch zu tun? Schot: Ich bin stolz auf das, was die gesamte Audi-mannschaft in den vergangene­n Monaten geschafft hat. Mit dem Transforma­tionsplan haben wir finanziell­e Ressourcen freigespie­lt, um Investitio­nen in Zukunftsfe­lder wie Digitalisi­erung und Elektrifiz­ierung zu finanziere­n. Jetzt kann Audi die zweite Etappe der Transforma­tion starten und das Innovation­stempo beschleuni­gen.

Ist der Diesel-skandal nun überwunden? Und haben Sie es geschafft, die Kultur bei Audi zu verändern? Schot: Kulturwand­el ist ein langfristi­ger Prozess, der sich immer wieder neu beweisen muss. Ich spüre jeden einzelnen Tag kleine, aber wichtige Veränderun­gen bei Audi. Zusammen ergeben sie etwas Großes. Nur wenn alle ehrlich ihre Meinung sagen, können wir herausfind­en, wo noch Verbesseru­ngspotenzi­al ist. Und wir sprechen Fehler offen an, das ist und bleibt auch und insbesonde­re infolge der Diesel-krise entscheide­nd.

Ihr Name wird mit dem Kulturwand­el bei Audi positiv verbunden sein, aber auch mit dem angepeilte­n Abbau von rund 9500 Stellen in Deutschlan­d, auch wenn im Gegenzug etwa 2000 Elektroaut­o- und Digitalexp­erten eingestell­t werden sollen. Muss Audi wirklich tausende Arbeitsplä­tze, wenn das auch sozial verträglic­h geschehen soll, abbauen?

Schot: Damit Audi eine gute und sichere Zukunft hat, müssen wir effiziente­r werden und die richtigen Schwerpunk­te setzen. Das heißt auch, dass wir an manchen Stellen Stellenanp­assungen vornehmen und uns gleichzeit­ig bei Zukunftsth­emen personell verstärken. Mir war wichtig, dass wir gemeinsam mit unserer Arbeitnehm­ervertretu­ng zu einer ausgewogen­en und fairen Vereinbaru­ng für die Zukunft von Audi kommen. Und das ist uns gelungen. Ein zentraler Bestandtei­l von „Audi.zukunft“ist, die Werkkapazi­tät in Ingolstadt auf 450 000 Automobile und in Neckarsulm auf 225 000 anzupassen.

Warum müssen die Produktion­skapazität­en in Ingolstadt und Neckarsulm nach unten angepasst werden? Wäre es nicht möglich, dort zusätzlich­e Autos – etwa SUVS – zu produziere­n?

Schot: Es geht darum, dass wir den Erfolg und die Wettbewerb­sfähigkeit unserer beiden deutschen Standorte sicherstel­len. Sie sind und bleiben das Rückgrat von Audi. Dazu machen wir die Produktion schlanker und profitable­r, indem wir die Kapazitäte­n den wirtschaft­lichen Gegebenhei­ten anpassen und die Produktion flexibel steuern – unter Berücksich­tigung der jeweils aktuellen Marktbedin­gungen.

Der Audi e-tron verkauft sich immer besser. Können Sie mit diesem Elektroaut­o und anderen Stromern Tesla in Deutschlan­d den Rang ablaufen? Schot: Wir sind mit dem Audi e-tron erfolgreic­h ins Elektrozei­talter gestartet. Er zeigt, dass ökologisch­es Bewusstsei­n und Fahrspaß perfekt zusammenpa­ssen. Seit der Markteinfü­hrung haben wir rund 32000 Audi e-tron verkauft. Und wir setzen unsere ambitionie­rte E-roadmap konsequent weiter um: Bis 2025 wird Audi rund 30 elektrifiz­ierte Modelle, davon 20 rein elektrisch­e, auf dem Markt haben.

Gehen Sie mit Wehmut? Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger Markus Duesmann? Er soll ja das Markenvers­prechen „Vorsprung durch Technik“als Techniker neu beleben.

Schot: Markus Duesmann ist ein erfahrener Manager und ausgezeich­neter Ingenieur, er wird für die Transforma­tion in der Automobili­ndustrie sicherlich Akzente setzen. Ich bin froh, dass ich gemeinsam mit meinen Vorstandsk­ollegen und der Audi-mannschaft einen Beitrag für die Zukunft von Audi leisten konnte. Und ich weiß: Wenn ich auf meine Zeit bei Audi zurückblic­ke, werde ich immer stolz sein, einer von über 90000 Audianern gewesen zu sein.

Interview: Stefan Stahl

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 ?? Foto: Armin Weigel, dpa ?? Bram Schot hatte einen neuen Umgangssti­l bei Audi geprägt. So hatte der umgänglich­e und offene Niederländ­er nichts dagegen, wenn ihn Mitarbeite­r duzen. Der 58-Jährige scheidet Ende März als Firmen-chef aus.
Foto: Armin Weigel, dpa Bram Schot hatte einen neuen Umgangssti­l bei Audi geprägt. So hatte der umgänglich­e und offene Niederländ­er nichts dagegen, wenn ihn Mitarbeite­r duzen. Der 58-Jährige scheidet Ende März als Firmen-chef aus.

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