Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gefängniss­e rüsten sich für Corona

So sollen Gefangene in der JVA und Mitarbeite­r der Justiz geschützt werden

- VON MARIA HEINRICH

Augsburg Von Tag zu Tag schränken die Auswirkung­en des Coronaviru­s den Alltag der Menschen in Bayern mehr und mehr ein, seit Freitag gilt nun eine Ausgangssp­erre. Auch die bayerische­n Gefängniss­e sind von der Ausbreitun­g des Virus nicht verschont geblieben. Am Freitag meldete das bayerische Justizmini­sterium, dass jeweils ein Bedienstet­er der Justizvoll­zugsanstal­ten (JVA) in Hof, Straubing und Würzburg positiv getestet wurden. Die Mitarbeite­r stehen unter häuslicher Quarantäne.

Das Ministeriu­m hat für alle bayerische­n Gefängniss­e Vorkehrung­en erlassen, um Mitarbeite­r und Inhaftiert­e vor einer Infizierun­g zu schützen – zum Beispiel gelten in bestimmten Fällen verspätete Haftantrit­te, Gefangene dürfen bis 19. April außerdem keinen Besuch empfangen. Auch Anstalten in der Region bereiten sich auf die Coronakris­e vor, erklärt Anja Ellinger, Leiterin der JVA in Kempten und Memmingen. Sie sagt: „Die Stimmung ist angesichts der Gesamtsitu­ation bei uns relativ entspannt. Wir informiere­n viel, sowohl unsere Bedienstet­en als auch unsere Gefangenen, und stehen bei Fragen bereit.“

Die Gefängniss­e in Kempten und Memmingen sind Ellinger zufolge relativ gut vorbereite­t. „Wir sorgen schon seit Jahren dafür, dass wir für eine längere Zeit autark sein können in Bezug auf Lebensmitt­el, Wasser und Strom.“Bereits im Zuge der Ebola-epidemie kaufte die JVA Fernthermo­meter, Masken und Schutzanzü­ge. Wie in ganz Bayern gelten auch in Kempten und Memmingen neue Schutzvork­ehrungen: „Wir haben nicht notwendige Besuche verboten und die sozialen Kontakte auf Telefonate umgestellt.“Besuche von Rechtsanwä­lten sind weiterhin möglich. Ellinger und ihre Mitarbeite­r haben zudem auf eine Art Notbetrieb umgestellt, um für den Fall der Verschlimm­erung auf genug Personal zurückgrei­fen zu können. Zudem wurden sogenannte Zugangsabt­eilungen eingericht­et, damit neue Gefangene erst dann in den normalen Zellentrak­t gelangen, wenn nach einer Quarantäne von mindestens 14 Tagen gesichert ist, dass sie nicht infiziert sind.

Bislang durften in Kempten und Memmingen Straf- und Untersuchu­ngsgefange­ne zweimal im Monat und junge Untersuchu­ngsgefange­ne viermal im Monat Besuch bekommen. Als Ersatz dürfen sie nun telefonier­en. Viele Gefangene würden sich um ihre Angehörige­n draußen sorgen, deshalb seien ihnen Telefonate sehr wichtig, erzählt Anja Ellinger. „Einige Gefangene gaben mir die Rückmeldun­g, dass sie sich in einem Gefängnis geschützte­r fühlen als draußen, auch wenn sie lieber in Freiheit wären.“

Im Gegensatz zu den Justizvoll­zugsanstal­ten – bei denen das bayerische Justizmini­sterium Maßnahmen bestimmen kann – entscheide­n Richter in ihrer richterlic­hen Unabhängig­keit selbst darüber, ob Verhandlun­gen stattfinde­n. Auch die Entscheidu­ng, ob ein Verhandlun­gstermin aufgehoben oder verlegt wird, trifft allein das zuständige Gericht. Allgemein wird empfohlen, zum Schutz der Gesundheit öffentlich­e Verhandlun­gen auf das Nötigste zu reduzieren.

Im Strafverfa­hren sollen Hauptverha­ndlungen nur in besonderen Fällen stattfinde­n, etwa in Haft- und Unterbring­ungssachen oder in Verfahren, bei denen Verjährung droht. Anwälte waren wegen dieser Regelung und der Ansteckung­sgefahr während der Corona-krise bereits vor das Bundesverf­assungsger­icht gezogen. Ihre Anträge wurden allerdings abgewiesen.

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