Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wenn Sudel-ede auf Sendung ging
Vor 60 Jahren war die Propaganda-sendung „Der Schwarze Kanal“erstmals in der DDR zu sehen. Ihr Moderator wurde für viele zur Hassfigur
Er war der bekannteste Journalist der DDR und gleichzeitig der unbeliebteste: Karl-eduard von Schnitzler, genannt Sudel-ede; Moderator der Propaganda-sendung „Der Schwarze Kanal“. Vor 60 Jahren, am 21. März 1960, ging der Mann mit der dicken Brille und dem gefestigten kommunistischen Weltbild erstmals mit dem „Schwarzen Kanal“auf Sendung und belehrte die Ddr-bürger darüber, was beim Klassenfeind BRD alles schieflaufe.
Gezeigt wurden vermeintlich entlarvende Ausschnitte aus dem Westfernsehen, in denen die Bundesrepublik als Hort von Revanchismus, sozialer Ungerechtigkeit und allgemeiner Verwahrlosung gebrandmarkt wurde. Karl-eduard von Schnitzler kommentierte die zum Teil aus dem Zusammenhang gerissenen Schnipsel mit Hass und Hohn, ganz im Sinne der Staatspartei SED.
Des Lobs der Funktionäre durfte er sich sicher sein. Bei Ddr-zuschauern kam Sudel-ede mit seiner platten Propaganda dagegen nicht gut an. Der zur besten Sendezeit laufende „Schwarze Kanal“hatte eine enorm hohe „Abschaltquote“, wie der Volksmund wusste. Der ursprünglich aus dem Westen stammende Karl-eduard von Schnitzler ließ sich davon nicht beirren, er moderierte seine Propaganda-show bis 1989. Erst kurz vor dem Zusammenbruch der DDR wurde „Der Schwarze Kanal“abgesetzt.
Wie perfide Schnitzler vorging, zeigte sich etwa nach dem Bau der Berliner Mauer im Sommer 1961.
Die bestürzten Kommentare in ARD und ZDF, die den Mauerbau unter anderem als „die schlechteste, die schlimmste Nachricht seit Kriegsende“bezeichnet hatten, nahm der Moderator folgendermaßen aufs Korn: „Sehr richtig. Wer die Nachricht vom Ende des letzten Weltkriegs heute für schlecht und schlimm hält, der muss auch unsere Maßnahmen an der Grenze zu Westberlin für schlecht und schlimm halten.“Nicht selten vergriff sich Schnitzler im Ton: So nannte er den Historiker, ehemaligen Sed-funktionär und Ddrkritiker Wolfgang Leonhard, der 1950 in die Bundesrepublik übergesiedelt war, einen „hergelaufenen Lumpen“. Den 18-jährigen Ostberliner Maurergesellen Peter Fechter, der 1962 bei einem Fluchtversuch von Ddr-grenzern niedergeschossen wurde und vor laufender Kamera im Todesstreifen liegend verblutete, schalt er „einen angeschossenen Kriminellen“.
Geboren wurde Karl-eduard von Schnitzler 1918 im vornehmen Dahlem, das zwei Jahre später zu einem Stadtteil Berlins wurde. Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs knüpfte er Kontakte zum französischen Widerstand gegen die Nazis, wurde verhaftet, konnte fliehen und kam 1944 in britische Kriegsgefangenschaft. Nach dem Krieg arbeitete er als Journalist in der britischen Besatzungszone für den Nordwestdeutschen Rundfunk und zog später in die sowjetische Besatzungszone. Dort trat er in die SED ein. Er starb im Jahr 2001 mit 83 Jahren in Zeuthen bei Berlin.