Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Traurige Omas und Opas

Die Pandemie ist besonders für die ältere Generation gefährlich – und macht auch vor Sportstars nicht halt. Rosi Mittermaie­r und Co. erzählen, wie sie mit der Situation umgehen. Ein Weltmeiste­r hat „ein bisschen Schiss“

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Fellbach Normalerwe­ise kümmern sie sich viel um ihre Enkelkinde­r. Normalerwe­ise reisen sie häufig. Doch in Zeiten des Coronaviru­s ist auch für die Sport-prominenz der älteren Generation, die als besonders gefährdet gilt, vieles nicht normal. Strikt halten sie sich an die Vorgaben, teilweise fühlen sie sich unsicher. Reiner Calmund, Heide Ecker-rosendahl, Christian Neureuther, Vlado Stenzel und Franz Reindl haben in Gesprächen erzählt, wie sie sich in dieser Zeit verhalten. ● Christian Neureuther, 70, und Rosi Mittermaie­r, 69 Die früheren Skirennfah­rer nehmen die Vorgaben sehr ernst. „Wir sehen das als unsere Verantwort­ung gegenüber unseren Mitmensche­n, gegenüber unseren Kindern und Enkeln, dass wir uns akkurat verhalten“, sagt Neureuther. Den Kontakt zu anderen beschränke­n sie auf ein Minimum. Sohn Felix, 35, Schwiegert­ochter Miriam, 29, und deren zwei Kinder sehen sie zwar weiterhin regelmäßig, weil die Häuser in Garmischpa­rtenkirche­n direkt nebeneinan­derliegen. Ihre Tochter Amelie, 38, und deren Familie aber werden Christian Neureuther und Rosi Mittermaie­r vorerst nicht sehen. „Das ist schon traurig, aber man kann skypen und telefonier­en“, beschwicht­igt Neureuther. Daheim verkrieche­n wollen sich die früheren aber nicht. „Es geht ja auch darum, sein Immunsyste­m zu stärken“, erinnert Neureuther. „Wir in den Bergen haben natürlich das Glück, dass wir nur 50 Meter gehen müssen, und dann sind wir in der Natur. Mir tun die Leute leid, die in einer Großstadt in einer kleinen Wohnung leben müssen und da nicht mehr raus können.“

● Heide Ecker Rosendahl, 73 Die frühere Spitzen-leichtathl­etin Heide Ecker-rosendahl verzichtet bewusst auf Treffen mit ihren Enkelkinde­rn. „Wir schreiben uns per Whatsapp“, erzählt sie. Generell geht die zweifache Goldmedail­lengewinne­rin von München 1972 zwar mal spazieren. Überwiegen­d aber bleibt sie zu Hause, auch einkaufen geht sie nicht mehr. „Die Kinder versorgen uns“, so Ecker-rosendahl. Die Zeit vertreibt sie sich im Garten oder mit Lesen. Die weltweltkl­asse-sportler weite Entwicklun­g empfindet auch „beängstige­nd“.

● Reiner Calmund, 71 Dass sich Menschen so große Sorgen um die Erkrankung machen, dass sie Supermarkt­regale leerkaufen, hält Calmund für falsch. „Menschen haben Angst. Aber durch die Erklärunge­n der Regierung, dass die Supermärkt­e aufbleiben, hoffe ich, dass die Menschen vernünftig­er werden“, sagt der Ex-manager des Fußballbun­desligiste­n Bayer 04 Leverkusen. Trotz seines Alters macht sich der 71-Jährige keine großen Sorgen um seine eigene Gesundheit. „Natürlich nehme ich die Hinweise der Behörden ernst, außerdem bin ich ja vor sechs Wochen noch operiert worden“, erzählt er. Alle aktuellen Werte seien gut. Trotzdem hat sich auch sein Leben verändert. Bei seinen sechs Kindern und vier Enkeln rufe er nun häufiger an. Und er ist öfter daheim als sonst. „Was den Job angeht, sind all meine geplanten Vorträge, ob auf Messen, vor Schulleite­rn oder vor Firmen, eingestell­t worden.“

● Franz Reindl, 65 Der Präsident des Deutschen Eishockey-bunds arbeitet jetzt wie so viele im Büro bei sich zu Hause, kann von dort aus in die Berge blicken. „Ich reise praktisch überhaupt nicht mehr. Das ist der größte Unterschie­d“, sagt der 65-Jährige. Außerdem falle am

sie

Abend die Zeit zum Entspannen weg. Jetzt würde er sich praktisch „rund um die Uhr“mit aktuellen Geschehnis­sen beschäftig­en. Der Kontakt zu seinen vier Enkelkinde­rn beschränkt sich auf Videoschal­ten: „Das ist schade!“

● Uwe Seeler, 83 Fußball-idol Seeler hat sich mit seiner Frau Ilka „quasi weggesperr­t“. Das sagte der Ehrenspiel­führer der Nationalma­nnschaft der Bild. Seine Kinder und Enkelkinde­r würden für ihn einkaufen, seine Frau jage ihn regelmäßig in den Garten an die frische Luft. „Sie meint, mit Rasen unter den Füßen kenne ich mich ja aus“, sagte Seeler. Die Lage sei besorgnise­rregend. „Jetzt haben wir alle einen auf den Deckel bekommen und müssen wachsam bleiben.“

● Vlado Stenzel, 85 Selbst in seinem abgelegene­n Wohnort in Kroatien fühlt sich der ehemalige Handballbu­ndestraine­r nicht einhundert­prozentig sicher. „Ich bin in meiner Villa und gehe selten raus, nur wenn ich muss. Ein bisschen Schiss habe ich schon, obwohl wir in Dalmatien nur einen Fall haben“, sagt er. Der Weltmeiste­r-coach von 1978 wohnt in der Ortschaft Skradin nahe dem bei Touristen beliebten Nationalpa­rk Krka. „Die Leute da leben vom Tourismus, aber es gibt keine Urlauber. Die Hotels werden auch Probleme kriegen.“

 ?? Foto: Felix Hörhager, dpa ?? Rosi Mittermaie­r und Christian Neureuther halten sich mit Ausflügen in die Natur fit. Zu Tochter Amelie haben sie keinen Kontakt.
Foto: Felix Hörhager, dpa Rosi Mittermaie­r und Christian Neureuther halten sich mit Ausflügen in die Natur fit. Zu Tochter Amelie haben sie keinen Kontakt.

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