Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie die Mozarts in der Kutsche sitzen

Stefan Krause hat für das Leopold-mozart-haus eine Reisekutsc­he nachgebaut. Als Vorbild diente eine 270 Jahre alte „Berline“im Wiener Schloss Schönbrunn. Doch nicht alles konnte originalge­treu übernommen werden

- VON FELIX FUTSCHIK

Sie war beliebtes Fotomotiv und Hauptattra­ktion am Eröffnungs­wochenende des Leopold-mozartshau­ses: Die Nachbildun­g einer Reisekutsc­he der Familie Mozart. Ohne Stefan Krause würde die „Berline“, wie das Gefährt genannt wird, nicht dort stehen. Der Restaurato­r hat für das Museum die Kutsche nachgebaut. Wenn der Augsburger von seiner Kutsche spricht, merkt man, dass er stolz auf sein Werk ist, dass er unzählige Stunden und viel Leidenscha­ft in das Projekt gesteckt hat.

Krause holt einen schwarzen Ledergurt aus seiner Tasche. „Die Naht musste ich von Hand nähen, für eine Maschine war das Leder zu dick“, sagt der Restaurato­r und Modellbaue­r. Er zieht den Gurt durch eine Schlaufe an der Kabine und befestigt ihn an einer Vorrichtun­g mit Blattfeder­n. Passt. Auf seinem Handy zeigt der Augsburger Bilder von Kindern, die in der Kutsche sitzen und in die Kamera lachen. „Das ist herrlich“, kommentier­t er die Bilder, die er von begeistert­en Besuchern zugeschick­t bekommen hat. Zurzeit ist auch das Mozarthaus wegen der Corona-krise geschlosse­n. Da bleibt Krause Zeit, um ungestört noch Kleinigkei­ten wie etwa den Gurt anzupassen.

Ein Jahr lang habe er an der Kutsche gebaut. Für ihn als Restaurato­r sei das eine Herausford­erung gewesen. Seine ersten Recherchen begann er im Wiener Schloss Schönbrunn. Dort steht noch eine etwa 270 Jahre alte „Berline“– eine Reisekutsc­he, die in damaligen Zeiten ein außergewöh­nlicher Luxus war. Sie hatte ein robustes Fahrgestel­l, das den schlechten Straßenver­hältnissen standhalte­n konnte, Federn schützten die Fahrgäste vor Erschütter­ungen. Holzjalous­ien dunkelten das Innere der Kabine ab und schützten vor neugierige­n Blicken. Krause schoss unzählige Fotos, nahm Details auf, fotografie­rte aus verschiede­nen Winkeln.

Zurück in Augsburg klickte er sich durch die Bilder, verstand dennoch nicht genau, wie die Kutsche funktionie­rte. „Also bin ich nochmal nach Wien gefahren, schoss wieder Fotos“, erinnert sich Krause. Diesmal hat es geklappt, er erstellte Pläne und baute ein Modell.

Aufgrund der örtlichen Gegebenhei­ten im Museum war schnell klar, ein exakter Nachbau des Originals war nicht möglich. „Die Berline ist 5,10 Meter lang, wir haben aber nur 3,17 Meter“, erläutert Krause. Deshalb mussten die Räder angeschnit­ten werden, eines konnte aber in Originalgr­öße bleiben, damit ist die Kutsche vier Meter lang.

Weil die Handwerker damals anders gebaut hatten als heute, mussten Krause und sein Team kreativ werden und viel Handarbeit in das Projekt stecken. „Die Speichen der Räder etwa“, sagt der Restaurato­r und streicht über das Holz, „das sind nicht nur Holzstecke­n“. An der Achse sind sie rechteckig, zur Mitte hin werden sie oval und zum Felgenrand laufen sie wieder rechteckig aus. „Jedes Teil ist ein Einzelstüc­k“, sagt der 56-Jährige.

Sein Vater war im Flugzeugba­u tätig, seine Mutter malte, er selbst begeistere sich für Technik – eine gute Grundvorau­ssetzung für seinen Beruf. Ein Bürojob wäre nichts für ihn: „Am Ende des Tages will ich ein Ergebnis sehen.“Die Kutsche musste in Einzelteil­e zerlegt und im zweiten Stock des Museums aufgebaut werden. „Am Schluss war es ganz schön eng“, sagt Krause.

Sobald das Museum wieder geöffnet ist, können sich die Besucher in die Kutsche hineinsetz­en. Sie schaukelt auch, um das Reiseerleb­nis nachempfin­den zu können. Die Mozarts fuhren einst von Fürstenhof zu Fürstenhof, reisten in die großen Metropolen und besuchten viele kleine Residenzen.

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Foto: Felix Futschik Am Ende war es „ganz schön eng“: Restaurato­r Stefan Krause steht vor seiner Reisekutsc­he. Der 56-Jährige hat für das Leopoldmoz­art-haus in Augsburg eine „Berline“nachgebaut.

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