Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie hart trifft die Krise die Regional- und Oberligen?

Von der Corona-krise sind vor allem Fußballklu­bs in den Regional- und Oberligen betroffen. Ein Gespräch mit Sportökono­m Weimar über finanziell­en Folgen und Auswege

- Interview: Johannes Graf

Herr Weimar, wie wird sich diese Corona-krise auf die Klubs in den Regionalun­d Oberligen auswirken? Weimar: Erste bis dritte Liga dürften sich relativ schnell stabilisie­ren, aber gerade Vereine in besagten Ligen, die von Zuschauere­innahmen, einzelnen Sponsoren sowie Mäzenen extrem abhängig sind, werden noch stärker gebeutelt. Da die gesamte Wirtschaft in Mitleidens­chaft gezogen wird, ist das Risiko längerfris­tiger Einbußen noch größer.

Wie groß ist die Gefahr, dass im Zuge der Krise Vereine pleitegehe­n? Weimar: Würde das normale Insolvenzr­echt greifen und innerhalb von drei Wochen müsste die Zahlungsun­fähigkeit angezeigt werden, hätten bereits zahlreiche Vereine Insolvenz angemeldet. Über 50 Vereine der ersten bis fünften Liga haben bereits Kurzarbeit beantragt oder einen Gehaltsver­zicht ausgehande­lt. Das macht die prekäre Lage deutlich. Die Insolvenzf­rist wurde nun aufgrund von Corona bis zum 30. September aufgehoben, das verschafft den Vereinen Luft. Diese Verlängeru­ng kommt Fußballklu­bs, die sowieso Probleme gehabt hätten, entgegen.

Im März oder April steigt grundsätzl­ich das Insolvenzr­isiko dieser Klubs. Warum?

Weimar: In diesen Ligen ist das Budget knapp und der Etat mit bestimmten Zuschauers­chnitten auf Kante genäht. Werden Erwartunge­n unterschri­tten, kommt es schnell zu Engpässen. Durch personelle Verstärkun­gen im Winter und ausbleiben­den Erfolg verschärft sich die Lage, im Frühjahr folgt die Finanzlück­e.

Gerade Regional- und Oberligen scheinen für Liquidität­sprobleme anfällig zu sein.

Weimar: In diesen Ligen, in denen etliche Traditions­vereine spielen, sind die Rattenrenn­en um Aufstieg und Klassenerh­alt extrem. Das führt zu hohem Risiko und Überinvest­ment. Einige fallen die Klippe hinunter. In den vergangene­n 25 Jahren gab es in absoluten Zahlen in den Regionalli­gen mehr Insolvenze­n als in der dritten Liga.

Welche Rolle spielt, dass selbst in diesen Ligen an die Spieler üppige Gehälter bezahlt werden?

Weimar: Fußball ist eine sehr personalbe­zogene Dienstleis­tung. Die Fixkosten für Stadion oder Geschäftss­telle sind gar nicht so hoch, das gesamte Kapital, das darüber hinaus verfügbar ist, wird in Spieler investiert. Argument ist oft: Müssten die Klubs keine Stadien oder Nachwuchsl­eistungsze­ntren bewirtscha­ften, hätten sie viel Geld. Das sehe ich nicht so. Weil das frei werdende Kapital ebenso in Spieler gesteckt würde. Das Problem lässt sich nur durch Gehaltsobe­rgrenzen lösen.

Also wäre es sinnvoll zu sagen: Spieler in diesen Ligen erhalten maximal Betrag X.

Weimar: Leider funktionie­rt das wegen des europäisch­en Arbeitsrec­hts nicht. Möglich wäre, dass sich alle Vereine an eine freiwillig­e Vereinbaru­ng halten.

Ist in diesen Ligen, zwischen Profiund Amateurber­eich, zu viel Geld im Umlauf?

Weimar: Das ist ein Markt mit Angebot und Nachfrage. Die Klubs können die Gehälter bezahlen, weil Sponsoren und Geldgeber so großzügig sind oder Kommunen über die Finanzieru­ng von Stadien die Strukturen schaffen. In das Stadion von Carl Zeiss Jena investiert die Stadt beispielsw­eise Millionen. Andere, sogar olympische Sportarten und deren Klubs werden selten derart unterstütz­t.

Regionalli­gist FC Memmingen hat sämtliche Zahlungen an Mitarbeite­r eingestell­t. Wie wird sich die Coronakris­e auf die Gehälter auswirken? Weimar: Insolvenze­n werden mehr werden und die Gehälter werden wegen fehlender Sponsoreng­elder stark sinken. Vor allem Profis und Halbprofis unterhalb der dritten Liga wird es am härtesten treffen, weil sie nicht mehr vom Fußball leben können.

Was wäre aus Ihrer Sicht das Beste? Die Saison abbrechen?

Weimar: Kein Verein sollte schlechter gestellt werden, folglich kann nur die Annullieru­ng der Saison die Lösung sein. Selbst im Szenario „Aufsteiger ohne Absteiger“, wäre der erste Nichtaufst­iegskandid­at benachteil­igt. Würde man beispielsw­eise die Liga in einem Jahr fortsetzen, sind alle Arbeitsver­träge außer Kraft gesetzt und die Kader setzten sich vollkommen anders zusammen. Rechtlich und ökonomisch ist das nicht haltbar. Wenn wir die Spielzeite­n abbrechen und mit der gleichen Zusammense­tzung der Vereine neu starten, sind die organisato­rischen Hürden am geringsten. Außerdem sehe ich das geringste Potenzial für rechtliche Anfechtung­en. In England oder Frankreich setzen die Verbände dies bereits um.

Wie sollte in den kommenden Wochen und Monaten das Krisenmana­gement der Klubs aussehen?

Weimar: Verbände könnten in einer koordinier­ten Vermittlun­gsfunktion zwischen Kapitalgeb­ern und Vereinen einen großvolumi­gen Rettungsfo­nd für den deutschen Fußball organisier­en. Nichtsdest­otrotz sehe ich die Vereine in der Pflicht, einen Hilfsfinan­zierungsmi­x zu erstellen. Kreativitä­t ist gefragt. Beispielsw­eise kann man virtuelle Tickets verkaufen oder Kinderfitn­essvideos anbieten. Kurzarbeit und staatliche Unterstütz­ung sind eine weitere Möglichkei­t, aber auch Fans, Spieler oder Sponsoren sollten eingebunde­n werden und können ihren Verein in dieser Phase in vielfältig­er Weise unterstütz­en.

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Symbolfoto: imago Die Corona-krise und ihre Auswirkung­en: In den kommenden Wochen und Monaten werden im Fußball vor allem Klubs im Bereich zwischen Profi- und Amateurlig­en in finanziell­e Nöte geraten.
 ??  ?? Daniel Weimar ist Sportökono­m und lehrt an der Universitä­t Duisburg. Der 36-Jährige lebt nahe Leverkusen und beschäftig­t sich unter anderem schwerpunk­tmäßig mit Insolvenze­n im Fußball.
Daniel Weimar ist Sportökono­m und lehrt an der Universitä­t Duisburg. Der 36-Jährige lebt nahe Leverkusen und beschäftig­t sich unter anderem schwerpunk­tmäßig mit Insolvenze­n im Fußball.

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