Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Polizei und die Frauen

Seit 30 Jahren hat die Polizei auch weibliche Beamte. Corinna Joachim war eine der ersten. Sie erinnert sich heute noch an die Reaktion der Kollegen und Fragen zu Frisuren und Toiletten

- VON MARIA HEINRICH

Seit 30 Jahren dürfen Frauen zur bayerische­n Polizei. Corinna Joachim war eine der ersten, die diesen Schritt wagte. Sie erinnert sich heute noch an die Reaktion der Kollegen und Fragen zu Frisuren und Toiletten.

Augsburg Als Corinna Joachim ihren Dienst antrat, war sie sozusagen ein Unikat. Unter den anderen Auszubilde­nden fiel sie sofort auf, sie wurde herumgezei­gt und überall auf ihre Berufswahl angesproch­en, von ihren Kollegen, ihren Bekannten – und sogar von den Bürgern auf der Straße. Es war damals etwas völlig Neues. Damals, im März 1990, als die ersten Frauen bei der bayerische­n Polizei im uniformier­ten Dienst begannen.

Heute ist Corinna Joachim 48 Jahre alt und hat zwei erwachsene Söhne. Zum einen ist sie Kriminalha­uptkommiss­arin bei der Kriminalpo­lizei Dillingen im Bereich Betrug, zum anderen ist sie die Gleichstel­lungsbeauf­tragte im Polizeiprä­sidium Schwaben-nord in Augsburg. „Heute ist es total normal, dass Frauen bei der Polizei sind.“Derzeit sind 22 Prozent aller Polizeivol­lzugsbeamt­en in Bayern weiblich, das sind ungefähr 7500. Rund 78 Prozent aller Polizeivol­lzugsbeamt­en sind männlich, also etwa 27200. „Und es ist so ein schöner Beruf, interessan­t, spannend und vielseitig. Es war ein Glück, dass meine Mutter mich angemeldet hatte, ich wüsste nicht, was ich gemacht hätte.“

Auch heute noch, 30 Jahre nachdem sie ihre Ausbildung bei der Polizei begonnen hat, ist Corinna Joachim ihrer Mutter dankbar. Dankbar dafür, dass sie im Jahr 1990 ihre Tochter heimlich für den Aufnahmete­st bei der Polizei angemeldet hat. Die Mutter hatte selbst ihr Leben lang davon geträumt, als Polizistin zu arbeiten. Doch die Möglichkei­t dazu bekam nur die Tochter.

Als die Einladung zum Einstellun­gstest kam – ihre Mutter hatte in der Zeitung davon erfahren, dass Frauen sich erstmalig bei der Polizei bewerben dürfen – war Corinna Joachim zwar überrascht, dachte sich aber gleich: „Ich habe einen ausgeprägt­en Gerechtigk­eitssinn, ich helfe gerne Menschen. Ja, das könnte genau das Richtige sein.“Corinna Joachim bestand den Test und begann ihre Ausbildung im gehobenen Dienst bei der Bereitscha­ftspolizei Dachau.

Dort seien die Männer und Ausbilder überforder­t damit gewesen, dass auf einmal Frauen da waren, erzählt Corinna Joachim heute. „Sie haben zum ersten Mal Frauen in Uniform gesehen, und vieles war noch ungeklärt: Wie sollte man die Haare tragen, wie sollte man das mit den Toiletten regeln?“

Auf zehn Männer kam ungefähr eine Frau, erinnert sich die Kommissari­n. „Man wurde schon sehr beäugt und ständig wurde ich darauf angesproch­en, wie es denn so ist als Frau bei der Polizei.“Das sei irgendwann schon lästig geworden. „Ich wollte eigentlich gar nicht auffallen, sondern nur meine Arbeit machen, so wie jeder andere männliche Kollege auch. Aber die meisten Vorgesetzt­en gingen äußerst behutsam und fürsorglic­h mit den Frauen um.“

Auch in Sachen Uniform war am Anfang noch einiges unklar. Corinna Joachim und ihre Kolleginne­n trugen zu Beginn im Prinzip Männerunif­ormen, die lediglich leicht abgeändert waren und in der Kleiderkam­mer nach Maß angepasst wurden. Dazu gab es eine Art Ausgehunif­orm: bestehend aus einem dienstlich­en Rock – der vier Finger breit unter dem Knie endete –, Pumps und einem Paar Seidenstru­mpfhosen. „Das habe ich allerdings nur einmal angezogen, und das nur aus Gaudi.“

Nach der Ausbildung wurde Corinna Joachim dem Revier in Moosach im Münchner Norden zugeteilt, als Streifenpo­lizistin und stellvertr­etende Dienstgrup­penleiteri­n. Sie stand somit über vielen ihrer männlichen Kollegen, die zum Teil älter und erfahrener waren. „Dort wurde ich nicht mehr mit Samthandsc­huhen angefasst.“Es habe Kollegen gegeben, die Vorbehalte hatten und sich weigerten, mit ihr Streife zu fahren. „Sie fahren mit keiner Frau, haben sie zu meinem Vorgesetzt­en gesagt, und kein einziges Wort mit mir geredet.“Dafür gab es auch andere Kollegen, die umso netter waren. „Die meisten Männer fanden es ganz toll, eine Frau in der Gruppe zu haben. Sie haben mich herumgezei­gt, andere Streifen kamen sogar vorbei, um mich zu sehen. „Damals gehörte ich zusammen mit einer mittleren Beamtin zu den einzigen zwei Frauen auf dem Revier unter circa 100 Männern.“Corinna Joachim entwickelt­e zu dieser Zeit eine Strategie, um selbstsich­erer im Umgang mit ihren männlichen Kollegen zu werden. „Mein persönlich­es Ziel war, mich dienstlich und fachlich so gut auszukenne­n und besser zu sein, dass ich durch fachliche Kompetenz glänzen konnte.“

Sechs Jahre blieb Corinna Joachim im Revier in Moosach, wurde dort zur Polizeiobe­rkommissar­in und danach zur Polizeihau­ptkommissa­rin befördert. 1999 wurde sie schwanger – wieder eine ungewohnte Situation für ihre Vorgesetzt­en. „Es war klar, ich konnte nicht mehr Streife fahren. Aber man wusste damals nicht, wohin ich nun sollte.“Corinna Joachim wurde zur Kriminalpo­lizei versetzt und kümmerte sich bis zur Geburt ihres ersten Sohnes dort um Bagatellde­likte. Nach dem Mutterschu­tz wechselte sie zur Kriminalpo­lizei nach Augsburg – und arbeitet seither in Schwaben.

Bei der Kriminalpo­lizei fühlte sich Corinna Joachim zum ersten Mal nicht als „die Neue“. Dort waren Frauen von der WKP, der weiblichen Kriminalpo­lizei, schon seit einiger Zeit etabliert. „Im Streifendi­enst hat es rückblicke­nd aber sicherlich einige Jahre gedauert, bis Frauen dort normal wurden.“

Die Zeit dort vermisst sie zum Teil heute noch. „Ich bin durch und durch Streifenpo­lizistin. Das hat mir immer am meisten Spaß gemacht.“So habe sie es sich immer vorgestell­t, die Polizei als dein Freund und Helfer. „Aber ich habe auch erkannt, wie schön es bei der Kripo ist. Und überhaupt ist es so ein schöner Beruf. Auch für Frauen.“An junge Bewerberin­nen, die Polizistin werden wollen, hat sie einen Rat. „Man darf auf keinen Fall zimperlich oder sehr sensibel sein.“Denn man könne jederzeit in schwierige Situatione­n geraten, zum Beispiel schwere Verkehrsun­fälle, bei denen man schlimme Dinge mitansehen müsse. Und man müsse auch ein gewisses Selbstbewu­sstsein mitbringen. „Frauen sollen mutig sein und sich bewerben, der Beruf ist abwechslun­gsreich und bietet Sicherheit als Beamtin und besonders als Frau.“

 ??  ??
 ??  ?? Corinna Joachim gehörte zu den Dienst antraten.
ersten Frauen,
Corinna Joachim gehörte zu den Dienst antraten. ersten Frauen,
 ?? Fotos: Joachim ?? die
in Bayern den
uniformier­ten
Fotos: Joachim die in Bayern den uniformier­ten

Newspapers in German

Newspapers from Germany