Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Da gärt noch was

Der Nudelnot folgt die Hefehyster­ie. Das ist ein gutes Zeichen

- VON MICHAEL STIFTER

Am Anfang geht es um niederste Bedürfniss­e. Menschen stapeln ganze Kellerkamm­ern bis zur Decke voll mit Zellstoffr­ollen. Egal ob zwei-, drei oder vierlagig, flauschig oder eher schmirgelp­apierartig: Klopapier braucht das Land. Erst als es den Hochstaple­rn dämmert, dass das Leben da draußen ganz offenkundi­g doch weitergeht und der Toilettenb­esuch eine vorangegan­gene Nahrungsau­fnahme bedingt, erreichen sie das nächste Level: die Pasta-phase.

Quasi über Nacht bricht die Nudelnot aus. In den Supermarkt­regalen der Republik heißt es niente al dente. Weil aber selbst in die dicksten Hamsterbac­ken irgendwann keine weiteren Fusilli mehr hineinpass­en, richtet sich der Blick bald auf ein neues, bislang weithin unterschät­ztes Produkt. Meine Damen und Herren, herzlich Willkommen im Hefestadiu­m! Kleine, graubräunl­iche Würfel sind plötzlich ein kostbares, weil oft ausverkauf­tes Gut. Der Deutsche Verband der Hefeindust­rie e.v. (ja, den gibt es wirklich) sieht sich zu einer offizielle­n Stellungna­hme gezwungen: „Entgegen umläufiger Befürchtun­gen ist die Sorge um die Verfügbark­eit der Backzutat Hefe unbegründe­t.“Also Ruhe bewahren! Schließlic­h ist die Hefehyster­ie ja auch ein hoffnungsv­olles Zeichen. In diesem Land gärt noch was. Die Bürger nehmen ihre Nahrungsmi­ttelversor­gung selbst in die Hand.

Ob sie nun Weißbier in Heimarbeit für den Eigenbedar­f brauen? Für einen gestandene­n Bayern kann das ja durchaus eine gewisse Systemrele­vanz haben. Oder ob sie Brot, Zöpfe und Pizza in der Küchenmanu­faktur erstellen? Egal. So werden wir jedenfalls auch diese Krise eines Tages gebacken kriegen.

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Foto: Adobe Stock

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