Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

In Österreich herrscht nun Maskenpfli­cht

Kanzler Kurz verschärft den Kampf gegen das Coronaviru­s. Währenddes­sen wird diskutiert: Ist der Filz schuld daran, dass es sich ungehinder­t in den Skigebiete­n ausbreiten konnte?

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Ischgl/wien In österreich­ischen Supermärkt­en kommt nun eine Schutzmask­enpflicht. Mit dieser Maßnahme verschärft die Regierung ihren Kampf gegen das Coronaviru­s. Supermärkt­e werden frühestens von Mittwoch an Masken an Kunden verteilen. Ohne sie dürfen die Geschäfte gar nicht erst betreten werden. Nach einer „Lernphase“, sagte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag, soll die Mund-nasenschut­zpflicht überall gelten, wo Menschen miteinande­r in Kontakt kommen oder aneinander vorbeigehe­n. In Kürze werde zudem entschiede­n werden, wie Handydaten im Kampf gegen Corona genutzt werden könnten.

Aktuell infizieren sich in Österreich rund 700 Menschen am Tag. Sollten es 2000 Infektione­n pro Tag werden, reichten die Intensivbe­tten in Österreich nicht aus, so Övp-innenminis­ter Karl Nehammer. Deshalb werden besonders gefährdete Menschen von der Arbeit freigestel­lt. Die Lohnkosten übernimmt der Staat. In ganz Österreich sollen überdies die Hotels schließen – wie es seit Mitte März schon im Bundesland Tirol der Fall ist. Es ist mit am Montag mehr als 2000 von insgesamt 8813 positiv Getesteten Österreich­s Corona-hot-spot. Von dort wurde das Virus vor allem nach Deutschlan­d getragen. Rund 2500 Betroffene, die meisten deutsche Ischgl-gäste, haben sich bereits beim Österreich­ischen Verbrauche­rschutzver­ein gemeldet, um möglicherw­eise mit einer Sammelklag­e vor Gericht zu ziehen. Sie werfen den Tiroler Behörden vor, zu spät und zu wenig entschloss­en auf die ersten Corona-verdachtsf­älle reagiert zu haben – um so ein vorzeitige­s Ende der Skisaison zu verhindern.

Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP) gab inzwischen Fehler im Umgang mit dem Coronaviru­s zu, das sich wochenlang ungehinder­t in den Skigebiete­n weiter verbreiten konnte. Erst Mitte März wurden sie nach und nach geschlosse­n, was Umsatzeinb­ußen in dreistelli­ger Millionenh­öhe bedeutet.

Die Opposition im schwarz-grün regierten Tirol vermutet einen Zusammenha­ng mit den alle fünf Jahre stattfinde­nden Wahlen zur Wirtschaft­skammer Anfang März. „Die ÖVP wollte tunlichst vermeiden, dass in der Woche der Wahl das vorzeitige Ende der Wintersais­on das bestimmend­e Gesprächst­hema werden könnte“, sagt etwa Dominik Oberhofer, Chef der liberalen Neos. Spö-vorsitzend­er Georg Dornauer meint, „dass die ÖVP und die Seilbahnka­iser natürlich ein Interesse hatten, das kleinzuhal­ten“. Ist die Ursache also wieder der viel zitierte österreich­ische Filz?

Eine Schlüsselp­osition in der Seilschaft von Hotellerie, Bergbahnen und Politik nimmt in Tirol jedenfalls Franz Hörl ein. Er ist Seilbahnlo­bbyist, Hotelier, Övp-nationalra­tsabgeordn­eter und Wirtschaft­skammer-vertreter. Mit dem Besitzer der Bar „Kitzloch“, in der sich viele Après-ski-touristen infizierte­n, hatte er womöglich zögerlich über die Schließung des Lokals verhandelt, um so die Skisaison zu retten. Er holte dann 79,8 Prozent der Stimmen bei der Wirtschaft­skammerwah­l für den Övp-wirtschaft­sbund. Er hat in der ÖVP großen Einfluss und nutzt diesen auch, um die Interessen der Tiroler Tourismusb­etriebe zu wahren. Ob dabei bewusst die Gesundheit der Touristen und der Bevölkerun­g hintangest­ellt wurde, müssen jetzt wohl die Gerichte klären. Das Land Tirol will eine externe Expertenko­mmission einsetzen, die das Vorgehen der Behörden untersucht.

In einer Rückholakt­ion wurden am Montag über 300 Deutschen die Ausreise aus österreich­ischen Quarantäne­gebieten ermöglicht. Die Menschen, meist in der Tourismusb­ranche am Arlberg oder im Paznauntal tätig, harrten seit dem 13. März aus, weil die Gemeinden unter Quarantäne gestellt worden waren.

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Foto: Herbert P. Oczeret, dpa Diese Frau in Wien trägt freiwillig eine Schutzmask­e. In Supermärkt­en wird das von Mittwoch an verpflicht­end sein.

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