Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Geckos unter den Funktionär­en

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger-allgemeine.de

Es gibt nicht mehr viele, die unbeirrt der Corona-krise trotzen. In weiten Teilen der Welt ruht der Sport. In Europa nahezu komplett. Nur ein nicht ganz so kleines Radrennen stemmt sich gegen den Trend. Die Macher der Tour de France entfalten noch größere Klebkräfte als das IOC. Letzteres steht unter der Herrschaft von Thomas Bach und knickte erst ein, als Sportler und mit Kanada eine ganze Nation ankündigte­n, auf eine Teilnahme an den Olympische­n Sommerspie­len in Tokio zu verzichten, sollten sie in diesem Jahr stattfinde­n. Die Spiele wurden auf nächsten Sommer verschoben.

Im internatio­nalen Vergleich sind aber die Franzosen die Geckos unter den Sport-funktionär­en. Mit beeindruck­ender Sturheit haften sie an dem größten Radrennen der Welt. Tour-direktor Christian Prudhomm sagte unlängst, dass es bisher nur zwei Ereignisse gab, die das Rennen seit dessen Premiere 1903 stoppen konnten: Den Ersten und den Zweiten Weltkrieg. Was ist dagegen so eine läppische Pandemie?

Jetzt wird darüber nachgedach­t, das Rennen ohne Zuschauer durchzufüh­ren. Wie das funktionie­ren soll, weiß aber niemand so genau. 3470 Kilometer spulen die Radprofis in den drei Wochen zwischen dem Start in Nizza und dem Ziel in Paris ab. Um diese Strecke abzusperre­n, wäre vermutlich das gesamte französisc­he Militär nötig. Hunderttau­sende pilgern jedes Jahr an die Straßenrän­der, um die Fahrer anzufeuern. Im vergangene­n Jahr waren insgesamt rund zehn Millionen Menschen unterwegs. Das neuartige Coronaviru­s würde höchst komfortabe­l aus kürzester Distanz kreuz und quer durch die Gegend gespeichel­t.

Zugute halten kann man den Organisato­ren, dass die Tour etwas einfacher und kurzfristi­ger abzusagen ist, als Olympische Spiele. Trotzdem ist es bestenfall­s naiv zu glauben, dass das Rennen tatsächlic­h stattfinde­n wird. Niemand kann gewährleis­ten, dass alle zu Hause vor dem Fernseher sitzen bleiben, wenn die besten Profis der Welt durch ein radsportve­rrücktes Land fahren. Dazu kommt, dass der Tross aus Fahrern, Betreuern, Technikern und Journalist­en riesig ist. Zwei Meter Abstand? Unmöglich.

Also wird auch die Tour de France erst verschoben und dann abgesagt werden. Für diese Prognose muss man kein Hellseher sein. Nur wahrhaben will es (noch) keiner in Frankreich. Wie bei Olympia beginnt aber auch hier der Widerstand in den Reihen der Sportler. Ex-gesamtsieg­er Geraint Thomas sagte, eine Tour ohne Zuschauer wäre nicht die Tour. Er muss sich keine Sorgen machen. Es wird sogar eine Tour ohne Fahrer.

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Foto: dpa Aus nächster Nähe feuern Zuschauer die Tour-de-france-fahrer an.
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