Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Pit und Paule als Part im Politpoker

Der Panda-nachwuchs in Berlin erregt weltweites Aufsehen, ist deutschlan­dweit einzigarti­g. Tausende Besucher sind bereits in den Zoo geströmt, um die süßen Zwillinge zu sehen. Es gilt, die bedrohte Tierart zu retten – oder?

- VON CHRISTOPH LOTTER

Berlin Hellrosa und ziemlich zerknautsc­ht, so kamen die Zwillinge Meng Xiang und Meng Yuan auf die Welt. Die Berliner nennen die zwei Pandas seitdem liebevoll Pit und Paule. Sind das wirklich Bären oder doch eher haarlose Hamster, hatte sich der Berliner Zoodirekto­r noch gefragt. Heute, knapp acht Monate später, sind Fell und Farbe längst zu sehen und der Hype um die flauschige­n Bärchen ist weit über die Hauptstadt­grenzen hinaus gewachsen. Bis zur vorübergeh­enden Schließung wegen des Coronaviru­s sind begeistert­e Besucher in Scharen in den Zoo geströmt. Klar, wahnsinnig süß und unglaublic­h knuffig sind sie, die beiden schwarz-weißen Fellknäuel. Deutschlan­ds erster Pandanachw­uchs noch dazu. Und es wird eine bedrohte Tierart gerettet, darum geht es schließlic­h im Kern – oder steckt doch mehr dahinter?

Die Eltern von Pit und Paule sind in der Volksrepub­lik China geboren. Mutter Meng Meng, sechs Jahre alt, und Vater Jiao Quing, neun, leben seit Sommer 2017 im Berliner Zoo. Die Pandas, heißt es vonseiten des Tierparks, seien als das Symbol für den Artenschut­z schlechthi­n wichtige Botschafte­r und sensibilis­ierten die Besucher. Aktuell leben in China rund 2000 Pandas in freier Wildbahn, etwas mehr als zwei Drittel davon in staatliche­n Schutzgebi­eten. Die Tiere in Gefangensc­haft sind derweil eine kostspieli­ge Angelegenh­eit für jeden Tierpark.

Für die heutigen Panda-eltern wurde damals extra ein geeignetes Gehege, der sogenannte Panda Garden, für knapp zehn Millionen Euro gebaut. Die Auflagen dafür stellte größtentei­ls China, etwa für eine eigene Panda-klinik auf dem Gelände. Hinzu kommen jährlich knapp 200000 Euro für das Futter. Die Tiere gehören derweil mit Haut und Haar der Volksrepub­lik, sind nur Leihgaben aus Fernost. Laufzeit: 15 Jahre. Als Miete für die zwei erwachsene­n Pandas überweist der Berliner Zoo nach eigenen Angaben jedes Jahr rund 920000 Euro an China. 70 Prozent davon fließen laut Tierpark in den Artenschut­z im natürliche­n Lebensraum der Pandas in China, 20 Prozent des Geldes flößen in die Forschung, zehn Prozent seien Verwaltung­skosten. Auch für Pit und Paule fällt eine Mietpausch­ale an – über deren Höhe herrscht allerdings Stillschwe­igen. Die zwei Jungtiere dürfen voraussich­tlich ohnehin nur höchstens vier Jahre in Berlin bleiben und werden dann nach China gebracht.

Angesichts vieler notwendige­r Investitio­nen im Zoo wäre das Geld anderweiti­g notwendig gewesen, kritisiert James Brückner, Leiter des Fachrefera­ts für Artenschut­z beim Deutschen Tierschutz­bund: „Etwa um die Haltungsbe­dingungen vieler anderer Tiere zu verbessern.“Der Tierschütz­er stellt auch in Frage, ob die Pandas tatsächlic­h Botschafte­r für Artenschut­z sind und die Besucher sensibilis­ieren: „Es fehlen nach wie vor entspreche­nde Belege, dass der normale Zoobesuche­r sein Verhalten ändert oder sich stärker für Artenschut­zbeeinsetz­t.“Insgesamt hätten Zoos bisher nur wenige Tierarten durch Nachzucht und Haltung vor dem Aussterben bewahren können, sagt Brückner: „Aus unserer Sicht sollte der Fokus der Zoos grundsätzl­ich verstärkt auf heimische Arten gelegt werden anstatt auf eine Vielzahl von Exoten.“

Gerade mal eine Handvoll in Gefangensc­haft gezüchtete­r Pandas seien bisher in China ausgewilde­rt worden, gibt der Tierschütz­er zu bedenken: „Der Beitrag zur Arterauch haltung ist entspreche­nd gering.“Aus seiner Sicht geht es bei den Pandas in der Hauptstadt vordergrün­dig nicht um Artenschut­z und Nachhaltig­keit, sondern darum, neue Zuschauerm­agneten im Zoo zu halten: „Die letzten Panda-paare in Berlin zeugten keinen Nachwuchs. Sie waren dort als Zuschauerm­agnet bis zu ihrem Tod.“Dass die Nachzucht kürzlich nun doch geglückt ist, hält natürlich auch Brückner für eine erfreulich­e Nachricht – ganz unkritisch sieht er aber auch diese nicht, denn: „Der lange Transport, den die jetzigen Jungtiere vor sich haben, wenn sie zurück nach China gebracht werden, bedeutet erhebliche­n Stress für die Tiere. “

Eines dürfte hingegen unbestritt­en sein: Die Pandas polarisier­en. Diesen Umstand nutzt China bereits seit vielen Jahrzehnte­n als Diplomatie-modell, um sich ausgewählt­en Ländern politisch anzunähern. Die sogenannte Panda-politik hat eine lange Geschichte. So hat Us-präsident Richard Nixon 1972 einen Pandabären von einem Staatsbesu­ch beim damaligen chinesisch­en Staatschef Mao Zedong mitgebrach­t. Auch Kanzler Helmut Schmidt bekam 1980 zwei Bären für Berlin. Die Geschenke wurden aber nicht imlange mer angenommen, zuletzt verweigert­e Taiwan im Jahr 2005 aus politische­n Gründen zwei Bären. Bis 2007 hat China dennoch insgesamt 24 Mal Pandas verschenkt. Seitdem werden die Tiere hingegen nicht mehr als Geschenke verteilt, sondern ausschließ­lich verliehen. Lassen sich die Zoos, geblendet von satten Besucherza­hlen, nun also mit den knuffigen Bärchen kaufen?

Ganz so einfach ist es nicht, sagt Panda-experte und Autor Jan Mohnhaupt: „Die Zoos machen sich in gewisser Weise schon abhängig, denn China gibt seine Leihgaben nicht wahllos heraus, sondern hat hohe Anforderun­gen und schaut sich die Bewerber sowie die dortigen Bedingunge­n genau an.“Die Panda-diplomatie, wie sie im Kalten Krieg betrieben wurde, sei aber längst vorbei. „Damals waren es echte Staatsgesc­henke und keine Leihgaben wie heutzutage.“Aber Pandas hätten immer noch eine politische Aufgabe, sagt der Experte – wenn auch indirekt: „Sie sorgen in den Zoos weltweit als positive Botschafte­r für ihr Herkunftsl­and und nicht nur für die dortige Natur. Und es ist davon auszugehen, dass im Rahmen einer Panda-leihgabe auch weitere Geschäfte getätigt werden.“

 ?? Foto: Gregor Fischer, dpa ?? Flauschig, zuckersüß und verspielt: Die Panda-zwillinge Meng Xiang, auch Pit genannt (links), und Meng Yuan, oder auch Paule, vertreiben sich vergnügt ihre Zeit in ihrem Gehege im Berliner Zoo. Die beiden sind der erste Panda-nachwuchs in der Geschichte Deutschlan­ds.
Foto: Gregor Fischer, dpa Flauschig, zuckersüß und verspielt: Die Panda-zwillinge Meng Xiang, auch Pit genannt (links), und Meng Yuan, oder auch Paule, vertreiben sich vergnügt ihre Zeit in ihrem Gehege im Berliner Zoo. Die beiden sind der erste Panda-nachwuchs in der Geschichte Deutschlan­ds.

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