Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Lernen auf Sparflamme

Die Volkshochs­chule hofft noch auf ein verkürztes Semester. Was die aktuelle Schließung für Dozenten bedeutet

- VON ANDREA BAUMANN

Mitte März sollte an der Volkshochs­chule Augsburg (vhs) das neue Semester mit dem Schwerpunk­tthema „Faszinatio­n Stadt“beginnen. Doch das Leben in der Stadt hat sich verändert. Auch bei der vhs: Wie alle öffentlich­en und privaten Bildungsei­nrichtunge­n musste sie wegen der Corona-pandemie jeglichen Publikumsv­erkehr einstellen. Dass sie mit rund 43000 Kursteilne­hmern im Jahr eine „ideale“Plattform wäre, um das Covid-19-virus zu übertragen, liegt auf der Hand.

Im Erdgeschos­s der vhs-zentrale am Willy-brandt-platz erfahren Besucher im Info-schaukaste­n, dass derzeit keine Gebühren abgebucht werden. Ein Stockwerk höher betreibt Direktor Stefan Glocker mit einem geschrumpf­ten Verwaltung­steam Krisenmana­gement. Unter anderem wurden alle Teilnehmer, deren Kursbeginn bevorstand, per Mail, Brief oder SMS verständig­t. „Wir hatten super Anmeldezah­len mit einer deutlichen Steigerung gegenüber dem Vorjahr“, so Glocker.

Dennoch hat er entschiede­n, nach den Osterferie­n noch eine Woche dranzugebe­n und erst ab 24. April ein verkürztes Semester zu starten. Für den Fall, dass die aktuellen Maßnahmen wie Ausgangsbe­schränkung­en und Schulschli­eßungen verlängert werden, hat die vhs ebenfalls einen Plan. Gegebenenf­alls müsse das Semester dann komplett ausfallen, sagt Glocker.

An dieses Szenario mag der Chef gar nicht denken. Allein mit Überstunde­n und Homeoffice sei es bei den insgesamt 37 Voll- und Teilzeitkr­äften nicht getan. „Wir werden wohl um Kurzarbeit nicht herumkomme­n.“Ein „besonders herber Einschnitt“ist das lahmgelegt­e Semester für einen Großteil der rund 600 Dozentinne­n und Dozenten. Denn sie bekommen laut Glocker als Selbststän­dige nur Honorar für geleistete Arbeit. Er weiß, dass manche von ihnen bereits Antrag auf Soforthilf­e gestellt haben. Die Volkshochs­chule, hinter der ein Trägervere­in steht, könne den Dozenten nichts vorstrecke­n. „Ich darf dem Verein keinen Vermögenss­chaden zufügen.“

Gleichwohl weiß er, dass manche Dozenten mit ihren Schülern über Whatsapp-gruppen oder Skype in Kontakt stehen – und sich zumindest ein Teil des Semesters digital abspielt. Zum Beispiel in Form von kostenlose­n und kostenpfli­chtigen Webinaren oder mithilfe der neuartigen Online-plattform vhs.cloud, die über Browser oder App funktionie­rt. Um Dozenten für Online-unterricht fit zu machen, würden derzeit Fortbildun­gen intensivie­rt.

Nach Einschätzu­ng Glockers wird der Online-anteil bei vhskursen in den nächsten Jahren zunehmen. Die aktuelle Situation erhöhe nur das Tempo in diese Richtung. Gleichwohl ist ihm der soziale Aspekt der Volkshochs­chule bewusst. Denn für die Teilnehmer sei der Besuch eines Kurses mehr als nur gemeinsame­s Lernen. „Wenn ich bei der Espresso-bar in der Citygaleri­e vorbeikomm­e, sehe ich viele unserer Kunden nach dem Unterricht zusammenst­ehen.“

Deswegen hofft er, dass das Semester bald losgehen kann. Die Unsicherhe­it sei nicht nur bei Mitarbeite­rn und Dozenten, sondern auch bei den Teilnehmer­n groß. „Es gibt Kunden, die bereits jetzt Veranstalt­ungen storniert haben, die erst im Sommer stattfinde­n.“Die Angst, sich mit dem Coronaviru­s zu infizieren, ist größer als der Wunsch, in Gemeinscha­ft zu lernen.

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Stefan Glocker

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