Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie Corona die Arbeit der Polizei beeinfluss­t

Die Zahl der Wohnungsei­nbrüche wird in Zeiten der Ausgangsbe­schränkung wohl zurückgehe­n, dafür muss die Polizei den Fokus nun auf andere Straftaten richten – darunter auf falsche Corona-kontrollen

- VON JÖRG HEINZLE

Die Menschen schauen jetzt genau hin, auch darauf, was sie in der Zeitung entdecken. Ein Foto von einer Vereinsver­sammlung sorgte in diesen Tagen dafür, dass bei der Augsburger Polizei eine Anzeige einging. Auf dem Bild waren langjährig­e Vereinsmit­glieder zu sehen, die geehrt wurden – und dabei dicht beieinande­r standen. Gegen die Coronarege­ln, stellte sich heraus, hat hier keiner verstoßen. Das Foto ist früher entstanden. Die Polizisten in der Region haben gerade viel mit den Folgen der Coronakris­e zu tun. Sie sind unter anderem damit beschäftig­t, Hinweisen auf Verstöße nachzugehe­n. Doch wie wirkt sich die Situation auf die Kriminalit­ät insgesamt aus? Sind es nicht nur schwierige Zeiten für die Wirtschaft, sondern auch für Kriminelle?

Bei der Polizei weiß man: Es liegt auf der Hand, dass sich die strengen Ausgangsbe­schränkung­en auch darauf auswirken, welche Straftaten sich in der Stadt abspielen – und welche nicht. So rechnet man bei der Augsburger Kripo etwa damit, dass die Zahl der Wohnungsei­nbrüche zumindest vorübergeh­end stark zurückgehe­n könnte. Weil viele jetzt zu Hause bleiben, gibt es für Einbrecher weniger Möglichkei­ten, zuzuschlag­en. Und das Risiko ist groß, in einer Wohnung oder einem Haus auf die Bewohner zu stoßen. Umgekehrt ist man sich bei der Polizei aber auch bewusst, dass Kriminelle sich gezielt andere Objekte aussuchen – etwa Läden, Lokale oder andere Betriebe, die wegen der Coronakris­e aktuell geschlosse­n sind.

Polizeispr­echer Michael Jakob sagt: „Wir kontrollie­ren derzeit natürlich nicht nur, ob sich die Bürger an die Ausgangsbe­schränkung­en halten, wir nehmen auch gezielt Objekte in den Blick, die jetzt für Straftäter interessan­t sein könnten.“Auch bei Gewalttate­n wird sich etwas verändern. Weil Bars, Clubs und Diskotheke­n aktuell zu sind, gibt es deutlich weniger Ärger im Nachtleben, der sonst die Beamten vor allem in der Augsburger Innenstadt stark beschäftig­t. Fachleute rechnen allerdings damit, dass es mehr Fälle von häuslicher Gewalt geben wird, wenn Familien dauerhaft auf engem Raum miteinande­r klarkommen müssen.

In Augsburg lasse sich noch keine auffällige Entwicklun­g bei Gewalt in Familien und Partnersch­aften beobachten, sagt Michael Jakob. Dafür sei der Zeitraum aber auch noch zu kurz. Verlässlic­he Aussagen könne man erst dann treffen, wenn die Beschränku­ngen länger in Kraft seien. Bayern hat die Corona-regeln am Montag noch einmal um gut zwei Wochen verlängert – vorerst gelten sie bis zum 19. April. Bei häuslicher Gewalt ist zudem die Dunkelziff­er relativ hoch. Opfer gehen öfter nicht oder erst spät zur Polizei.

Krisenstim­mung dürfte derzeit bei Drogenhänd­lern herrschen – zumindest bei jenen, die ihren Stoff auf der Straße verkaufen. An den klassische­n Treffpunkt­en der Szene, etwa am Königsplat­z oder vor dem Oberhauser Bahnhof, kontrollie­rt die Polizei genau, dass sich keine Grüppchen bilden und sich niemand hinsetzt. Beides ist im Moment nicht erlaubt, das soll die Ausbreitun­g des Coronaviru­s bremsen. Trotz der Verbote sieht man am Oberhauser Bahnhof immer wieder Menschen zusammensi­tzen. Das Verständni­s in der Szene halte sich „in Grenzen“, sagt ein Polizeibea­mter. Es sei aber deutlich weniger los als sonst.

Was den Drogenhand­el angeht, beobachtet die Polizei schon länger, dass viele Geschäfte auch hier inzwischen über das Internet abgewickel­t werden. Vor allem Modedrogen können in Internet-shops bestellt werden. Dealer und Konsument kommunizie­ren zudem oft übers Handy. Und in Chatprogra­mme wie Whatsapp können sich die Ermittler nur schwer einklinken. In Berlin ist bekannt, dass Drogenhänd­ler – auch außerhalb von Corona-zeiten – sogar einen Bringservi­ce anbieten. Speziell bei Kokain, das auch in den „besseren Kreisen“beliebt ist. Erst Ende Januar ließ die Polizei in der Hauptstadt eine Bande auffliegen, die rund 800 Kunden beliefert haben soll. Dass es so etwas in organisier­tem Stil auch in Augsburg geben könnte, ist der Polizei bisher zumindest nicht bekannt.

Bislang halten sich nach Einschätzu­ng der Augsburger Polizei auch die Versuche von Kriminelle­n in Grenzen, aus der Krise Profit zu schlagen. Einzelne Fälle in der Region gibt es aber, bei denen mutmaßlich­e Betrüger oder Trickdiebe an Haustüren klingelten und sich als Corona-kontrolleu­re des Gesundheit­samtes oder als Desinfekti­onsteam ausgaben. Polizeispr­echer Michael Jakob warnt auch vor einer neuen Variante des sogenannte­n Enkeltrick­s: Betrüger rufen vornehmlic­h bei älteren Menschen an und geben sich am Telefon als Enkel, Freunde oder sonstige Angehörige aus. Sie behaupten, dass sie wegen einer Covid-19-infektion dringend finanziell­e Hilfe für eine Krankenhau­sbehandlun­g benötigen. Wer im Internet auf dubiosen Seiten derzeit Schutzmask­en oder Desinfekti­onsmittel gegen Vorkasse bestellt, der muss auch damit rechnen, dass er leer ausgeht – und sein Geld nicht mehr wieder sieht.

Nicht immer sind vermeintli­che Kriminelle aber auch echte Kriminelle. Wie die Polizei meldet, riefen Anwohner in der Region Augsburg in diesen Tagen auch schon wegen einer Verwechslu­ng die Beamten. Die Anwohner beobachtet­en verdächtig­e Menschen in Schutzklei­dung. Tatsächlic­h handelte es sich in diesem Fall aber um ein Ärzteteam, das im Auftrag der Behörden Menschen auf das Coronaviru­s testete. Einen wichtigen Unterschie­d gibt es aber: Die echten Tester verlangen bei den Vor-ort-terminen nie eine sofortige Bezahlung.

Drogengesc­häfte laufen übers Internet

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Foto: Ulrich Wagner Die Straßen und Plätze in Augsburg sind fast menschenle­er – durch die strengen Corona-regeln ändern sich auch die Aufgaben der Polizei. So müssen die Beamten zum Beispiel die Ausgangsbe­schränkung­en kontrollie­ren. Im Gegenzug fällt der Ärger im Nachtleben praktisch weg.

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