Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die AFD und Corona
In der Krise verlieren die Rechtspopulisten an Rückhalt. Ob das so bleibt, hängt vor allem von einem Faktor ab
Ist die Corona-krise der Anfang vom Ende der AFD? Seit das Virus sich auch in Deutschland exponentiell verbreitet und das halbe Land lahmlegt, haben die Rechtspopulisten spürbar an Rückhalt im Land verloren.
Augsburg Als die ersten Menschen in Deutschland am Coronavirus sterben, meldet sich Jörg Meuthen zu Wort. „Guten Morgen, Deutschland! Es wird ein Desaster. Jetzt kommt Merkels große Wirtschaftskrise“, twittert der Afd-vorsitzende, beinahe triumphierend. Als bekannt wird, dass die Kanzlerin zu Hause bleiben muss, weil sie Kontakt mit einem positiv getesteten Arzt hatte, ätzt der bayerische Afdlandtagsabgeordnete Andreas Winhart: „Merkel in Quarantäne! Gut, hinter Gitter wäre besser, aber is ja schon mal ein Anfang.“Als sich der hessische Finanzminister Thomas Schäfer das Leben nimmt, raunt der Berliner Afd-fraktionschef Georg Pazderski: „Die Lage in Deutschland scheint weitaus schlimmer zu sein als bisher angenommen.“
Es sind nur drei von vielen Äußerungen der vergangenen Wochen, die belegen, wie mittellos die AFD der Coronakrise gegenübersteht. Das Virus bedroht ihr Geschäftsmodell. Denn die Reaktionen auf die plumpe Polemik aus dem rechten Lager fallen überwiegend verheerend aus. Und Konstruktives hat die selbst ernannte Alternative für Deutschland im Kampf gegen die Coronakrise bislang kaum zu bieten. Während die regierenden Unionsparteien in Umfragen massiv an Zustimmung gewinnen, rutschen die rhetorischen Heckenschützen in den einstelligen Prozentbereich.
In unsicheren Zeiten suchen viele Menschen Zusammenhalt statt Spaltung. Wer erlebt, wie Donald Trump durch diese Krise irrlichtert, dürfte gerade ganz froh über den unprätentiösen Regierungsstil in Deutschland sein – mit all seinen Schwächen, die es natürlich auch gibt. Selbst in sozialen Netzwerken, ansonsten eine Art immerwährende Bierzeltschlägerei in 140 Buchstaben, scheint der Ton milder zu werden. Das Erfolgsrezept der AFD wirkt plötzlich wie aus einer anderen Zeit. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass die Rechtspopulisten auf Dauer abgemeldet sind.
Je dramatischer die Verwerfungen infolge des staatlich verordneten Herunterfahrens bei jedem Einzelnen ankommen, desto schneller könnte der Rückhalt für die politisch Verantwortlichen bröckeln. Schon jetzt kursieren wilde Verschwörungstheorien zum Coronavirus. Noch verpuffen sie weitgehend. Aber der Boden für Geraune und vermeintlich furchtlose Querdenker dürfte fruchtbar werden, wenn Millionen Menschen finanzielle Einbußen hinnehmen müssen oder um ihre Arbeitsplätze bangen. Wenn sie die Einschränkung persönlicher Freiheiten und sozialer Kontakte nicht mehr verkraften. Schon jetzt steht ja bei aller Disziplin der Bevölkerung die Frage im Raum, wie lange ein Land eine solche Zwangspause aushalten kann – wirtschaftlich und gesellschaftlich. Auch in der Flüchtlingskrise schlug die Stimmung erst allmählich um.
Noch wirft die AFD den Regierenden vor, zu lange gezögert und die „Volksgesundheit“gefährdet zu haben. Aber Donald Trump zeigt ja beinahe täglich, dass Populisten wenig Hemmungen haben, morgen das Gegenteil von dem richtig zu finden, was sie heute fordern. Deshalb ist es gut möglich, dass sich die AFD schon bald als erste Partei dafür aussprechen wird, die Beschränkungen zu lockern. Sie wird unterstellen, dass etablierte Parteien und Medien den Bürgern etwas verheimlichen. Sie wird die Opfer dieser Krise gegeneinander ausspielen und sich als Kämpfer für den „kleinen Mann“inszenieren. Sie wird vom „gesunden Menschenverstand“reden und wissenschaftliche Erkenntnisse anzweifeln – siehe auch Klimawandel. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie damit auch Wähler anspricht.
Die größte Gefahr für die AFD ist ein erfolgreiches Krisenmanagement der Regierung. Sollte es gelingen, diese nie da gewesene Herausforderung mit einigermaßen reparablen Schäden zu meistern, wird sich der Bedarf an populistischer Polemik womöglich dauerhaft in Grenzen halten.