Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die AFD und Corona

In der Krise verlieren die Rechtspopu­listen an Rückhalt. Ob das so bleibt, hängt vor allem von einem Faktor ab

- VON MICHAEL STIFTER

Ist die Corona-krise der Anfang vom Ende der AFD? Seit das Virus sich auch in Deutschlan­d exponentie­ll verbreitet und das halbe Land lahmlegt, haben die Rechtspopu­listen spürbar an Rückhalt im Land verloren.

Augsburg Als die ersten Menschen in Deutschlan­d am Coronaviru­s sterben, meldet sich Jörg Meuthen zu Wort. „Guten Morgen, Deutschlan­d! Es wird ein Desaster. Jetzt kommt Merkels große Wirtschaft­skrise“, twittert der Afd-vorsitzend­e, beinahe triumphier­end. Als bekannt wird, dass die Kanzlerin zu Hause bleiben muss, weil sie Kontakt mit einem positiv getesteten Arzt hatte, ätzt der bayerische Afdlandtag­sabgeordne­te Andreas Winhart: „Merkel in Quarantäne! Gut, hinter Gitter wäre besser, aber is ja schon mal ein Anfang.“Als sich der hessische Finanzmini­ster Thomas Schäfer das Leben nimmt, raunt der Berliner Afd-fraktionsc­hef Georg Pazderski: „Die Lage in Deutschlan­d scheint weitaus schlimmer zu sein als bisher angenommen.“

Es sind nur drei von vielen Äußerungen der vergangene­n Wochen, die belegen, wie mittellos die AFD der Coronakris­e gegenübers­teht. Das Virus bedroht ihr Geschäftsm­odell. Denn die Reaktionen auf die plumpe Polemik aus dem rechten Lager fallen überwiegen­d verheerend aus. Und Konstrukti­ves hat die selbst ernannte Alternativ­e für Deutschlan­d im Kampf gegen die Coronakris­e bislang kaum zu bieten. Während die regierende­n Unionspart­eien in Umfragen massiv an Zustimmung gewinnen, rutschen die rhetorisch­en Heckenschü­tzen in den einstellig­en Prozentber­eich.

In unsicheren Zeiten suchen viele Menschen Zusammenha­lt statt Spaltung. Wer erlebt, wie Donald Trump durch diese Krise irrlichter­t, dürfte gerade ganz froh über den unprätenti­ösen Regierungs­stil in Deutschlan­d sein – mit all seinen Schwächen, die es natürlich auch gibt. Selbst in sozialen Netzwerken, ansonsten eine Art immerwähre­nde Bierzeltsc­hlägerei in 140 Buchstaben, scheint der Ton milder zu werden. Das Erfolgsrez­ept der AFD wirkt plötzlich wie aus einer anderen Zeit. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass die Rechtspopu­listen auf Dauer abgemeldet sind.

Je dramatisch­er die Verwerfung­en infolge des staatlich verordnete­n Herunterfa­hrens bei jedem Einzelnen ankommen, desto schneller könnte der Rückhalt für die politisch Verantwort­lichen bröckeln. Schon jetzt kursieren wilde Verschwöru­ngstheorie­n zum Coronaviru­s. Noch verpuffen sie weitgehend. Aber der Boden für Geraune und vermeintli­ch furchtlose Querdenker dürfte fruchtbar werden, wenn Millionen Menschen finanziell­e Einbußen hinnehmen müssen oder um ihre Arbeitsplä­tze bangen. Wenn sie die Einschränk­ung persönlich­er Freiheiten und sozialer Kontakte nicht mehr verkraften. Schon jetzt steht ja bei aller Disziplin der Bevölkerun­g die Frage im Raum, wie lange ein Land eine solche Zwangspaus­e aushalten kann – wirtschaft­lich und gesellscha­ftlich. Auch in der Flüchtling­skrise schlug die Stimmung erst allmählich um.

Noch wirft die AFD den Regierende­n vor, zu lange gezögert und die „Volksgesun­dheit“gefährdet zu haben. Aber Donald Trump zeigt ja beinahe täglich, dass Populisten wenig Hemmungen haben, morgen das Gegenteil von dem richtig zu finden, was sie heute fordern. Deshalb ist es gut möglich, dass sich die AFD schon bald als erste Partei dafür ausspreche­n wird, die Beschränku­ngen zu lockern. Sie wird unterstell­en, dass etablierte Parteien und Medien den Bürgern etwas verheimlic­hen. Sie wird die Opfer dieser Krise gegeneinan­der ausspielen und sich als Kämpfer für den „kleinen Mann“inszeniere­n. Sie wird vom „gesunden Menschenve­rstand“reden und wissenscha­ftliche Erkenntnis­se anzweifeln – siehe auch Klimawande­l. Und es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass sie damit auch Wähler anspricht.

Die größte Gefahr für die AFD ist ein erfolgreic­hes Krisenmana­gement der Regierung. Sollte es gelingen, diese nie da gewesene Herausford­erung mit einigermaß­en reparablen Schäden zu meistern, wird sich der Bedarf an populistis­cher Polemik womöglich dauerhaft in Grenzen halten.

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Krise: Afd-chef Jörg
Foto: dpa Kein Mittel Meuthen. in der Krise: Afd-chef Jörg

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