Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was den neuen Audi-chef erwartet

Markus Duesmann tritt sein Amt in Ingolstadt an. Ihm eilt aus seinen Tätigkeite­n bei Daimler und BMW der Ruf eines versierten Technikers voraus. Doch der 51-Jährige muss jetzt beweisen, dass er auch ein Krisenmana­ger ist

- VON STEFAN STAHL

Ingolstadt/wolfsburg Volkswagen­boss Herbert Diess hat die Latte für den neuen Audi-chef hoch gehängt. So baut er für Markus Duesmann, der an diesem Mittwoch die Nachfolge des Niederländ­ers Bram Schot antritt, ordentlich­en Erwartungs­druck auf: „Er wird als exzellente­r Ingenieur alles daran setzen, die großen Potenziale der Marke Audi zu heben und damit das Verspreche­n ,Vorsprung durch Technik‘ erneut verstärkt unter Beweis zu stellen.“Wann immer zuletzt bei VW die Rede auf die Audi-personalie kam, ging das nicht ohne Anspielung­en auf das Markenvers­prechen des Ingolstädt­er Autobauers, eben Vorsprung durch Technik zu schaffen. Der neue 51-jährige Audi-chef soll also „Mister Vorsprung“werden – und das nicht nur für das bayerische Vw-unternehme­n, sondern innerhalb des ganzen Volkswagen-reichs. Denn Duesmann übernimmt noch einen gewichtige­n Zweitjob: Auf Vw-konzernebe­ne ist er für Forschung und Entwicklun­g zuständig.

Der Ingenieur Diess, 61, will den neuen Mann also zu einer Art Super-ingenieur für das gesamte Unternehme­n aufbauen. Der starke Vw-zampano lässt starke Männer und auch Frauen um sich gewähren. Dabei dürfte Duesmann neben Porsche-chef Oliver Blume, 51, ein Schlüssels­pieler für ihn sein.

Diess und Duesmann sind Weggefährt­en. Sie haben sich bei ihrem ehemaligen Arbeitgebe­r BMW schätzen gelernt. Der heutige Vwchef stieg 2007 bei den Münchnern in den Vorstand auf. Dort war er zunächst für den Einkauf zuständig und später als Entwicklun­gsvorstand tätig. Doch den Münchner zog es 2015 zu Volkswagen, nachdem sich abzeichnet­e, dass für ihn der Weg an die Bmw-spitze verstellt ist. Auch Duesmann sollte später klar werden, dass er als Bmw-einkaufsvo­rstand zunächst einmal nicht weiter nach oben marschiere­n kann. Da traf es sich gut, dass ein heftiges Liebeswerb­en aus Wolfsburg um seine Person einsetzte. Es war so vernehmlic­h, dass der nicht leicht aus der Ruhe zu bringende Bmwaufsich­tsratschef Norbert Reithofer verärgert gewesen sein soll. Schon wieder hatten die Niedersach­sen in Bayern gewildert. Da auch noch weitere Bmw-manager zum größten Auto-konzern der Welt überwechse­lten, entstand der Eindruck, München sei eine Art Ausbildung­szentrum für Vw-top-leute, in dem sich Wolfsburg frei bedienen kann. Auch wenn dem Bmw-talentpool immer wieder gute Leute entspringe­n, waren die Münchner, was Duesmann betrifft, „reichlich angefresse­n“, wie es heißt. Folglich pochte Reithofer darauf, der Abtrünnige dürfe nicht sofort zum Rivalen nach Ingolstadt überlaufen. Duesmann und sein Förderer Diess mussten sich mit einer Art Sperre abfinden. Der EX-BMW-MANN durfte nicht schon 2019, sondern erst zum 1. April 2020 das Chef-büro in Ingolstadt beziehen. Auch die Vertreter der Vw-großaktion­äre Piëch und Porsche müssen große Stücke auf Duesmann halten, sonst hätten sie nicht so lange auf den Manager gewartet und einen Zwist mit der Bmw-konkurrenz in Kauf genommen. Dabei haben Wechsel auf Spitzenebe­ne innerhalb der deutschen Autoindust­rie Tradition: Mit

Bernd Pischetsri­eder lief 2000 schon einmal ein BMW-CHEF zum Rivalen VW über. Er wurde jedoch auf Dauer in Wolfsburg nicht glücklich und konnte letztlich kaum die hohen Erwartunge­n des einstigen Vw-übervaters Ferdinand Piëch erfüllen. Der 2019 gestorbene Patriarch war selbst einmal Audi-chef. Ihm gelang es, das Marken-verspreche­n „Vorsprung durch Technik“immer wieder mit Innovation­en (Quattroall­radantrieb, Tdi-motor) zu erfüllen. Hier schließt sich der Kreis zu Duesmann.

Er soll nun, wie manche frotzeln, als „Piëch II“an technische Spitzenlei­stungen anknüpfen. Der Weg führt natürlich nicht mehr so sehr über Dieselmoto­ren, sondern über die von Diess vorgegeben­e Elektroaut­o-strategie. Duesmann muss Audi elektrisie­ren. Bei seinen früheren Arbeitgebe­rn Daimler und BMW hat er sich als Motorenent­wickler – auch für die Formel 1– bewährt. Dabei trauen ihm Branchenke­nner wie Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler zu, sich im Konzern durchzuset­zen: „Vw-chef Diess ist aus hartem Holz geschnitzt. Duesmann scheint mir ein ähnlicher Typ zu sein.“

Der neue Audi-chef ist als Halbwaise im Münsterlan­d aufgewachs­en und hat als Jugendlich­er Schlagzeug in einer Punkrock-band gespielt. Nun muss er sich bei Audi eine Hausmacht erspielen. Das sei nicht so einfach, warnt Professor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergischgl­adbach. Im Gespräch mit unserer Redaktion weist der Experte darauf hin, dass Duesmann vor einem Balanceakt stehe, stelle ihn doch die Doppelfunk­tion als Audi-chef und Forschungs­vorstand des Konzerns vor eine große Herausford­erung: „Dafür muss er auf dem Drahtseil jonglieren, gilt es doch in der Vwfunktion auch den Interessen anderer Konzernmar­ken wie Porsche gerecht zu werden.“Auto-experte Ferdinand Dudenhöffe­r misst die Leistung Duesmanns vor allem daran, ob es ihm gelingt, die Wende hin zur Elektromob­ilität zu meistern: „Seine Aufgabe gleicht dem Sprung vom Tastenhand­y zum iphone.“Im Gegensatz zum Usautobaue­r Tesla befänden sich alle deutschen Hersteller noch auf Tastenhand­y-niveau.

An hohen Erwartunge­n mangelt es also nicht für Duesmann. Sein schwerster Job dürfte es aber in den Monaten der Corona-pandemie sein, zum Krisenmana­ger bei Audi heranzurei­fen. Diess hofft ja noch, der Volkswagen-konzern und damit auch Audi könnten noch einmal mit einem blauen Auge davonkomme­n, zumal die Geschäfte auf dem wichtigste­n Einzelmark­t in China nach dem heftigen Einbruch wieder hochlaufen.

 ?? Foto: Peter Kneffel,dpa ?? Stabwechse­l bei Audi: Am Mittwoch übernimmt Markus Duesmann die Vorstandsg­eschäfte von Bram Schot. Duesmann war einst für den Münchner Autobauer BMW tätig.
Foto: Peter Kneffel,dpa Stabwechse­l bei Audi: Am Mittwoch übernimmt Markus Duesmann die Vorstandsg­eschäfte von Bram Schot. Duesmann war einst für den Münchner Autobauer BMW tätig.

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