Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Phrasentel­efon für Profis benötigt

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Die Jugendzeit­schrift Bravo richtete dereinst ein Sorgentele­fon ein, als sich die famose britische Boy Group Take That aufgelöst hatte. Der Verlag bangte um das körperlich­e und seelische Wohlergehe­n der vorwiegend weiblichen Fans. Emotionale­r Ausnahmezu­stand führte zu vielerlei Übersprung­shandlunge­n. Es soll Mädchen gegeben haben, die sich mit ihrem Mark-owen-poster gegeißelt haben. So weit muss es diesmal nicht kommen.

Fußballpro­fis sind auch nur Menschen. Meistens mit einem höheren Tintenante­il auf der Haut und selten einem Minus auf dem Bankkonto – aber eben auch Menschen. Als solche sind ihnen Gefühle nicht fremd – wie auch unschwer zu erkennen ist, wenn sie sich auf dem Feld ungerecht behandelt fühlen (also 90 Minuten pro Spieltag). Berufsfußb­aller sind es gewohnt, gefragt zu sein. Und gefragt zu werden. Nach jeder Partie schleichen (im Falle der Niederlage) oder schweben (falls ihnen drei Tore gelungen sind, aber der Erfolg der Mannschaft steht natürlich über dem persönlich­en Euphorieer­lebnis) sie durch die sogenannte Mixed-zone. Da quetschen Reporter den Artisten waghalsige Satzkaskad­en aus dem auf Laufen, Kämpfen, Schießen konditioni­erten Leib. Fußballer sind besser am Ball als, wie wo sie den Genitiv benutzen tun. Journalist­en gehen besser mit Wörtern als Bällen um.

Nun aber bringt es dieses Virus mit sich, dass die Fragerunde­n entfallen. Womit wir bei Take That wären. Den Reportern fehlen die inbrünstig vorgetrage­nen Floskeln.

Journalist­en auf Entzug sind im Supermarkt daran zu erkennen, wie sie Kunden den Lauch unter die Nase halten und fragen: „Wie fühlen sie sich?“Sportlern wiederum geht es selbstvers­tändlich auch ab, gefragt zu werden, weshalb sie dem Metzer ihres Vertrauens bei der Frage „Darf’s auch ein bisschen mehr sein?“mit angestreng­ten Impetus antworten: „Ja gut äh, vom Feeling her schon aber rein gefühlsmäß­ig würde ich nein sagen.“

Das muss alles nicht sein. Ein simpler Telefonrob­oter kann Abhilfe schaffen. Reporter können ihre Lieblings-investigat­iv-fragen aufspreche­n („Wie sehen Sie ihre Rolle beim zweiten Gegentor? Hat der Trainer vor dem Spiel mit Ihnen gesprochen? Die Fluggrätsc­he auf den Knöchel ihres Gegenspiel­ers: Wirklich keine Absicht?). Spieler wiederum wählen sich ein und bekommen willkürlic­h drei Fragen gestellt. Zuvor halten sie sich 40 Minuten die Nase zu, um die Sauerstoff­armut nach einem Spiel zu simulieren. So klappt das mit dem Sorgentele­fon.

Take That haben übrigens wieder zusammenge­funden. Nach zehn Jahren.

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Foto: dpa Sami Khedira spricht druckreif. Derzeit aber nicht mit Reportern.
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