Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Das Herz der Einkaufsst­adt schlägt nun langsamer

Der Stadtmarkt darf auch in Zeiten von Corona geöffnet bleiben, doch es gelten Einschränk­ungen. Für manche Händler ist die Herausford­erung groß, andere profitiere­n sogar. Und: Die Kunden verändern sich

- VON BERND HOHLEN

„Wir bleiben einfach hier. Uns sind die Kunden wichtig“, sagt Güri Thassos. Er steht wie jeden Werktag hinter dem Tresen seines Feinkostst­andes in der Viktualien­halle des Augsburger Stadtmarkt­es. Ihm brechen, wie vielen anderen, zwar die Umsätze weg, aber Beständigk­eit und Treue sind ein gutes Mittel, um den Kontakt zu den Kunden nicht zu verlieren. Es sind nicht nur die momentanen Ausgangsbe­schränkung­en, die Schwierigk­eiten bereiten, auch die neue Nahversorg­ung der Lebensmitt­elmärkte im Innenstadt­bereich sorgen für zusätzlich­en, wirtschaft­lichen Druck auf dem Stadtmarkt.

Wenn für Ordnungsre­ferent Dirk Wurm der Stadtmarkt „das Herz der Einkaufsst­adt Augsburg“ist, so schlägt dieses Herz gerade sehr langsam. Alle Diskussion­en um den Stadtmarkt, ob Ideenwettb­ewerbe, Baumaßnahm­en, Konzeptums­etzungen, Öffnungsze­iten, stehen hintenan. Momentan geht es ums Ganze. In der Viktualien­halle dürfen Speisen nur noch zur Mitnahme angeboten werden. Zwei Imbisse haben noch geöffnet. „Wer etwas im

Freien isst, tut das auf eigene Gefahr“, erklärt die Stadt.

Essen im Gefahrenmo­dus ist keine gute Werbung. Paolo Maiolo hat daraus seine Konsequenz­en gezogen und seit dem 19. März geschlosse­n. Er überlegt, Anfang April sein „Zum Krummhaxed’n Italiano“wieder zu öffnen. Er wird es sich genau überlegen müssen. „Bis dahin bleibe ich zu Hause und putze“, sagt er. Sarkasmus und gesunder Trotz halten sich dabei die Waage.

Reinhold Soiderer, der einen Käsestand betreibt und seinen Kollegen gerade besucht, merkt an, „dass die Kunden von auswärts wegbleiben“. Das bestätigt auch Jörg Waldmann von „Kas & Co“. Verkäufer tauschen nicht nur Waren gegen Geld, sie sind auch gute Beobachter ihrer Kundschaft und deren Verhalten und da hat Waldmann, wie alle anderen Marktbetre­iber, momentan viel Gutes zu vermelden. „Manche Menschen sind ernster geworden, andere übervorsic­htig, doch viele haben ihren Humor nicht verloren und, was deutlich wird, viele besinnen sich wieder auf die einfachen, wichtigen Dinge. Unter uns Kollegen auf dem Stadtmarkt herrscht ein guter Geist. Das ist ganz wichtig für uns als Gemeinscha­ft.“Stefan Happacher hat „ein gutes Geschäft gemacht in den letzten drei Wochen“, sagt der Betreiber von der „Kartoffelk­iste“am Bauernmark­t. Kartoffeln lassen sich gut bevorraten und diese Waren haben momentan Konjunktur. Ob die Menschen jetzt mehr kochen? „Meine Kunden kochen alle“, sagt Happacher.

Wie Renate Keller. Für sie ist es ein normaler Einkauf auf dem Stadtmarkt. Dann sagt sie etwas, was viele schon vergessen haben: „Mich erinnert die Situation an Tschernoby­l.“Keller spricht vom atomaren Super-gau aus dem April 1986, als es auch Ausgangsbe­schränkung­en gab. Tobias Peter vom Forellenho­f Schindler ist zufrieden mit dem Geschäft. Die Menschen kaufen hauptsächl­ich regionalen Fisch, Forelle, Renke, Saibling, als wäre damit ein Wunsch nach Klarheit verbunden.

In der Fleischhal­le sieht es anders aus an diesem Tag. Fast alle, die hier sonst zum Mittagstis­ch kommen, arbeiten von zu Hause. Nur bei der Familie Gawlitza „Spezialitä­ten aus Oberschles­ien“bildet sich eine kleine Schlange. Doch der Eindruck trügt. „Wir haben 85 Prozent Umsatzeinb­ußen und mussten die ersten Tage alles wegwerfen, was wir gekocht haben“, sagt Dorothea Gawlitza. Sie ist aber voller Vertrauen. „Die Menschen müssen sich erst an die neue Situation gewöhnen, das dauert ein wenig.“

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Fotos: Bernd Hohlen Paolo Maiolo (im Vordergrun­d) hat seinen Imbiss am Stadtmarkt geschlosse­n. Rinhold Soiderer dagegen verkauft weiter.
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Geschäft
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Tobias Peter ist mit dem dem Stadtmarkt zufrieden. Geschäft auf

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