Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Kann Biden Trump schlagen?
Was den 77-Jährigen nun hoffen lässt
Washington Joe Biden hat ein weiteres Mal bewiesen, das Stehaufmännchen der amerikanischen Politik zu sein. Mit dem Ausstieg seines linken Rivalen Bernie Sanders sind die Vorwahlen der Demokraten de facto beendet. Der 77-jährige Biden wird Donald Trump aller Voraussicht nach in den Us-präsidentschaftswahlen am 3. November herausfordern. Die Auferstehung des totgesagten Kandidaten gilt unter Analysten als politisches Wunder, für das es in der Geschichte amerikanischer Wahlkämpfe kein Vorbild gibt. Innerhalb von fünf Wochen stieg der nach den ersten Vorwahlen in Iowa, New Hampshire und Nevada abgeschriebene „Onkel Joe“zum nicht mehr einholbaren Spitzenreiter auf.
Die Corona-pandemie beschleunigte das Ende des innerparteilichen Zweikampfs, weil sie Sanders Kampagne an der Basis keine Chance mehr ließ. In einer Video-botschaft an seine Unterstützer verkündete Bernie, es gebe schlicht keine Chance mehr, die Nominierung zu gewinnen. Biden liegt nach derzeitigem Stand mit 1217 Delegierten 303 Stimmen vorne. Rein rechnerisch war es so gut wie unmöglich für Sanders, diese Lücke zu schließen. Zumal er seinen Wahlkampf unter den Bedingungen einer Kontaktsperre nicht fortführen konnte. Sanders versprach seinen Anhängern, seinen Einfluss für linke Inhalte einzusetzen. Biden sei „ein sehr anständiger Mann, mit dem ich zusammenarbeiten werde, um unsere progressiven Ideen voranzutreiben“.
Sanders hatte im Wahlkampf wiederholt versprochen, seinen Teil dazu beizutragen, die Partei gegen Trump zu einen. Mit seinem Rückzug erspart er den Demokraten einen bitteren Flügelstreit, der 2016 Hillary Clinton entscheidende Stimmen kostete. Hinter den Kulissen hatten Unterhändler der Kandidaten in den vergangenen Tagen intensiv darüber beraten, wie die Partei nun schnell zusammengebracht werden könnte. Gedacht ist auch an einen gemeinsamen Auftritt Bidens und Sanders – persönlich oder virtuell – der Einheit demonstrieren soll.
Das schnelle Zusammenrücken der Demokraten passt Präsident Trump genauso wenig ins Drehbuch seiner Wahlkampagne wie die Corona-pandemie. Er kann nun nicht mehr mit einer brummenden Wirtschaft vor die Wähler treten. Der Krisenbonus in den Umfragen verflüchtigte sich binnen kürzester Zeit. Die Meinungsforscher sehen ihn mehrere Punkte hinter Biden, der auch im Wahlmänner-kollegium eine Mehrheit hat.
Bidens Problem besteht darin, auch ohne Amt im Kampf gegen Corona sichtbar zu werden. Bisher hat der designierte Herausforderer diese Bühne weitgehend dem Präsidenten überlassen.