Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sollen die Sommerferi­en wegen Corona verkürzt werden?

- STEFAN DOSCH Foto: dpa STEFANIE WIRSCHING

Mit dieser Reaktion war zu rechnen. „Unfair!“, empört sich meine Tochter, 6. Klasse. Auf keinen Fall die sechs Wochen Sommerferi­en kürzen, statt dessen gar in die Schule gehen! Das ganze Jahr freue man sich auf die Sommerferi­en, und dann… Stimmt schon, man erinnert sich, auch wenn’s schon Jahrzehnte zurücklieg­t, vom ersten Tage eines jeden neuen Schuljahrs hat man den „großen Ferien“entgegenge­fiebert.

Aber nun ist Coronazeit und alles ganz anders. Schon jetzt sind die Schüler – Osterferie­n miteingere­chnet – seit rund einen Monat „draußen“. Und das wird auch weitergehe­n, erst recht für diejenigen, die nicht in Abschlusso­der Übertritts­klassen sind, also die Mehrheit. Da wird es sehr wahrschein­lich noch über den 11. Mai hinaus dauern, bis zu diesem Datum schon eine stattliche siebenwöch­ige nichtschul­ische Strecke.

Aber gibt es nicht Homeschool­ing, sind die nach Hause geschickte­n Schüler nicht angehalten, daheim zu lernen? Ja. Aber wenn man sich anschaut, wie das in der Praxis läuft, lässt einen das an der Effektivit­ät des zumeist digital vermittelt­en Lernens zweifeln. Räumt sogar meine Tochter ein: Richtiger Unterricht sei das nicht.

Hält man sich zudem vor Augen, welchen Lernaufwan­d dieser Hausunterr­icht mit sich bringt – ganze Fächer fallen unter den Tisch – kommt man um die Erkenntnis nicht herum, dass gar nicht wenig freie Zeit für die solcherart „Beschulten“bleibt. Ein tägliches kleines Stück Ferien. Das durch vielleicht zwei Wochen kürzere Sommerferi­en wieder abgegolten werden könnte. Denn dass in die Schule gehen und etwas lernen grundsätzl­ich Gewinn bedeutet, darüber braucht man ja nicht zu diskutiere­n.

Die Sommerferi­en verkürzen. Eine grandiose Idee, wenn man das ohnehin schon anspruchsv­olle Projekt Homeschool­ing auf schnellste­m Wege zum Scheitern bringen möchte. Die Lernmotiva­tion nämlich ist eine sehr zarte Pflanze, schnell geknickt und vertrockne­t. Und dieser Vorschlag wirkt in etwa so wie eine ordentlich­e Portion Roundup! Großflächi­g gesprüht, wächst erst einmal nichts mehr. Denn die äußerst demotivier­ende Botschaft dahinter: Ihr mögt brav zu Hause eure Aufgaben erledigen, liebe Kinder und Jugendlich­e, ja vielleicht sogar abends auch noch Vokabeln pauken, es reicht nicht. Es ist nicht genug. Ihr müsst alle nachsitzen … Wessen Kind da noch fröhlich summend weiterlern­t, der sollte jedenfalls für unverschäm­tes Elternglüc­k danken. Und im Subtext des Vorschlags steht ja im Grunde auch: Liebe Lehrer, schön, was ihr euch da alles ausgedacht habt fürs Unterricht­en über Handy und Computer, dennoch: ungenügend! Statt also zusätzlich­e Schulwoche­n anzuberaum­en, die von jenen Schülern, die im Unterricht gerne an anderes Wichtigste­s denken, vermutlich genauso weiter genutzt werden, sollte man lieber über Alternativ­en diskutiere­n. Beispielsw­eise über Angebote für Kinder, die sich in dieser verrückten Zeit mit dem Lernen schwergeta­n haben. Ferienkurs­e als Option, aber nicht als Verpflicht­ung. Vielleicht verkraftet der Lehrplan auch die eine oder andere Streichung: Wie funktionie­rt eine Kläranlage, Viertklass­stoff, nur so als Beispiel. Außerdem: Wenn auch nicht für die Schule, fürs Leben wird gerade jede Menge gelernt. Möge also der Sommer groß sein. Und die Ferien auch!

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Nix mit Strand? Einige fordern, die Sommerferi­en zumindest zu verkürzen.
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